© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    11/01 09. März 2001

 
Tierschutz soll als Staatsziel ins Grundgesetz
Umwelt: PAKT e.V. hat Leitlinien für eine neue Landwirtschaftspolitik vorgelegt
Volker Kempf

Die Agrarpolitik in Deutschland und Europa oszilliert derzeit zwischen der Wahrung des Status quo und der Suche nach neuen Leitlinien für die Agrarpolitik. Auf eine solche Suche hat sich auch der in Düsseldorf ansässige "Politische Arbeitskreis für Tierrechte in Europa" (Pakt e.V.) in den Räumen des Philosophischen Seminars der Universität Bonn am 23. September 2000 begeben. Durch die BSE-Krise bekam das dort ausgearbeitete Papier eine besondere Aktualität für Politiker und dürfte über seinen Rahmen hinaus für Diskussionsstoff sorgen.

Das Papier mit dem Titel "Agrarpolitische Leitlinien" beginnt im Hauptteil mit einem Leitgedanken, wonach die intensive Landwirtschaft nicht länger gegenüber einer ökologischen bevorzugt werden dürfe. Das Verhältnis müsse genau umgekehrt werden, damit die ökologische Landwirtschaft gefördert und die industrialisierte zurückgedrängt werde, heißt es sinngemäß. Dazu müßten vor allem die Agrarsubventionen tier- und flächenbezogen gezahlt werden, und nicht länger nach der Leistung erzeugten Fleisches. PAKT denkt an eine "Staffelung von Unterstützungsleistungen bis zu einer Obergrenze von 1,5 bis 2 Großvieheinheiten pro Hektar. Tierprämien sind nur dann zu gewähren, wenn pro Kuh, Bulle etc. mindestens 0,5 Hektar Grünland vorhanden sind." Kuhprämien müßten unabhängig von der Milchleistung der Kuh bezahlt werden, fordert PAKT. Konkret werden eine Reihe weiterer Einzelmaßnahmen vorgeschlagen:

- Werbeverbot für Fleisch aus der heute konventionellen Nutztierhaltung, da diese nachweislich umweltschädlicher ist als Fleisch aus extensiver Landwirtschaft. Da davon eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit ausgehe, könne die Werbung aus Gründen verboten werden, wie sie auch für die Einschränkung der Tabakwerbung gelten.

- Förderung der Aufklärung über die Möglichkeiten fleischloser Ernährung

- Verordnungen sind zu erlassen, die dem Tierschutzgesetz entsprechen, statt ihm, wie momentan der Fall, zu widersprechen (betrifft etwa die betäubungslose Ferkelkastration)

- Das Tierschutzgesetz als solches muß um eine Reihe von Ausnahmeregelungen entlastet werden

- Aufnahme des Tierschutzes als Staatsziel ins Grundgesetz. So soll dem Schutz der Tiere ein höherer Stellenwert bei der Abwägung der Rechtsgüter verliehen werden und sichergestellt sein, daß der Staat die Verwendung der von ihm vergebenen, auf gesellschaftlichen Konsens beruhenden Subventionen zum Nutzen der Gemeinschaft politisch steuern kann.

- Verbot aller Einzelboxen und -käfige, wie sie in der Schweine-, Kälber- und Legehennenhaltungsverordnung geläufig sind

- Veterinärämter sind personell und finanziell aufzustocken, damit sie ihrer Aufsichtspflicht gerecht werden können.

- Prinzipielles Verbot, also ohne relativierende Sonderregelungen, von "Qualzuchten" sowie gentechnischen Experimenten und Methoden bei der Tierzucht

- Schlachttransporte sind grundsätzlich nur noch bis zum nächstgelegenen Schlachthof zu genehmigen – dadurch werde auch eine regionale Schlachthofstruktur gefördert.

- Tiere sind auf Welthandelsebene, wie bereits in Deutschland, als Geschöpfe anzuerkennen, die eigene Bedürfnisse und Ansprüche habe.

- Darauf aufbauend sind Strafzölle oder gar Importverbote gegen Produkte aus nicht artgemäßer Tierhaltung und -transport in Abstimmung mit der World Trade Organisation (WTO) und über Artikel XX des General Agreement on Tariffs and Trade (GATT), in dem die Handelsbeschränkungen zum Schutz von Leben und Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen sowie natürlicher Ressourcen geregelt werden, vorzunehmen.

Als innenpolitische Folge einer auf Extensität statt Intensität angelegten Landwirtschaft benennt PAKT höhere Fleischpreise. Dabei wird darauf hingewiesen, daß "landwirtschaftliche Erzeugnisse bereits heute ein Vielfaches von dem kosten, was Verbraucher für sie bezahlen". Die heutigen Fleischpreise im Supermarkt sagen demnach nicht viel über die wahren Fleischpreise aus. Nicht nur müsse der Steuerzahler Fleisch subventionieren, sondern auch noch die Folgekosten der Intensivtierhaltung tragen, die sich laut PAKT aus gesundheitlichen Schäden hohen Fleischkonsums mit fragwürdiger Qualität und ökologischen Folgekosten zusammenaddieren. PAKT plädiert angesichts ökologischer Folgekosten der heutigen Landwirtschaft gar für eine Ökosteuer, die zudem der Volksgesundheit zugute käme und mit der die Umstellung von Landwirtschaftsbetrieben finanziert werden könne. Hier ist einzufügen, daß das Papier vor der Massenvernichtung von Rindern formuliert wurde und man mittlerweile wohl eher von einer Steuer für die Deckung der durch BSE verursachten Folgekosten reden müßte. Ein solcher Vorschlag ist seitens der Grünen sogar im Januar diesen Jahres gemacht, aber wieder fallen- gelassen worden.

 

Die "Agrarpolitischen Leitlinien" können gegen drei Mark Rückporto angefordert werden bei: PAKT e.V., Umweltzentrum Düsseldorf, Merowingerstr. 88, 40225 Düsseldorf.


 
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