© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    11/01 09. März 2001

 
Asket, Anarch, Alkoholiker
Zum 70. Geburtstag des Kinderbuchautors Janosch
Gesa Steeger

Der dämliche Bär hängt mir schon zum Halse heraus. Ich würde lieber gemeine Bücher machen", sagte einmal der bekennende Frauenfeind Horst Eckert, dem überdies Kinder physische Übelkeit verursachen.

Wie hat es dieser Mann geschafft, mit 150 Titeln Kinderbuchmillionär zu werden, der im Verkauf von Fanartikeln nur noch von Walt Disney übertroffen wird? Begonnen hatte alles wenig verheißungsvoll: Am 11. März 1931 in Hindenburg/Oberschlesien geboren, lebt er in seinen ersten drei Lebensjahren bei seinen Großeltern in bitterster Armut. Nachdem es seine Eltern zu bescheidenem Wohlstand gebracht haben, zieht er zu ihnen zurück. Der Vater trinkt und prügelt. Die Mutter prügelt und redet von ihm nur als "das". Die katholische Kirche droht mit Hölle und Teufel. Die Mitschüler prügeln. Der Lehrer prügelt. Er beginnt eine Schlosserlehre, lernt zum ersten Mal zurückzuschlagen und legt den Grundstein zu seiner Alkoholikerkarriere.

Vor Beendigung der Lehre wird die Familie nach dem Krieg nach Oldenburg vertrieben. Dort arbeitet er in einer Textilfabrik. Er kündigt und beschließt, Maler zu werden, um nicht mehr arbeiten zu müssen. Allerdings lehnt ihn die Kunstakademie in München nach einem Probesemester ab. Er läßt sich als Maler am Ammersee nieder, wo er 1960 sein erstes Bilderbuch "Die Geschichte von Valek, dem Pferd" verfaßt. Da er nie ein gutes Verhältnis zu seinem Namen hatte – er wurde nach Horst Wessel benannt –, verpaßt ihm sein Verleger Georg Lentz den Namen Janosch. Danach saufen sich die beiden ein paar Jahre gemeinsam durchs Leben, bis Lentz pleite machte. 1976 gelingt ihm der Durchbruch mit "Oh, wie schön ist Panama". 1979 verbrennt er seine Habseligkeiten bis auf ein paar Pinsel und zieht nach Teneriffa, wo er noch heute lebt.

Diese Angaben zu seiner Biographie stammen aus seiner eigenen Hand, und man kann nicht sicher sein, wieviel davon der Selbstdarstellung dient. Schließlich, so schreibt er in "Gastmahl auf Gomera", müsse man die Journalisten verwirren oder anlügen und selber aufschreiben, was wirklich geschah.

Herausragend unter seinen Kinderbüchern ist sicherlich "Oh, wie schön ist Panama". Es ist sein siebzigstes Kinderbuch. Gesundheitlich und finanziell am Ende, zog er Bilanz, hörte im Radio Nachrichten über Panama und verfaßte das Buch von dem Tiger und dem Bären, die sich gemeinsam aufmachen, Panama zu suchen, da es dort schöner sein müsse als zu Hause. Am Ende ihrer Reise stehen sie wieder vor dem Haus, das sie verlassen haben, erkennen es nicht wieder, ziehen ein, kaufen ein Plüschsofa und sind rundherum glücklich. Moral von der Geschicht: Das Glück klebt an den Fußsohlen.

Das Buch verkaufte sich rund zwei Millionen Mal und brachte Janosch den panamaischen Orden "Manuel Amador Guerro" im Rang eines Komturs und den Deutschen Jugendbuchpreis ein. Doch so beschaulich heiter ist die Geschichte gar nicht. Die großflächige Malweise seiner frühen Bücher ist dem janoschtypischen "Zitterstrich", dem Zeugnis seiner alkoholischen Exzesse, gewichen. Grundtenor des Buches ist die sich ständig wiederholende Versicherung des Tigers "der braucht sich nicht zu fürchten". Wovor eigentlich? Tiger und Bären gelten ja nicht unbedingt als die schwächsten Glieder der Nahrungskette. Zieht man die anderen Bücher hinzu, so wird deutlich, daß bei Janosch der Konflikt Klein gegen Groß das bestimmende Motiv ist. Meist unterliegen die Schwachen, manchmal überlisten sie den Starken, doch nie besiegen sie ihn. Die Botschaft lautet: verbessert Eure Position in der Gewaltenhierarchie. Die Hierarchie selber wird nie aufgehoben. Ein Grund, warum die taz Janosch als erzkonservativen Autoren bezeichnet hat.

Die Bedrohung durch einen Stärkerern ist so präsent, daß sie in "Oh, wie schön ist Panama" keiner weiteren Ausführung bedarf. Daß die Welt einfach ist, verdeutlicht der Fuchs, der, wie im Text steht, mit einer Gans Geburtstag feiern will. Die Illustration zeigt den Sachverhalt: die Gans ist tot, und herumliegendes Besteck verrät, mit welchem Braten hier gefeiert werden soll. Überhaupt führen die Illustrationen ein Eigenleben. Die Tigerente, die in "Oh, wie schön ist Panama" Tiger und Bär begleitet und sich inzwischen zur wohl berühmtesten Janosch-Figur gemausert hat, ist ursprünglich nur entstanden, weil einmal noch Platz auf dem Blatt war.

Unvermutet tauchen in manchen Bilderbüchern Pin-up-Girls auf, und so manches Bild zeigt Grapschereien. Und da wären wir beim Frauenfeind. Manche Bilder sind eindeutig sexistisch. Janosch kennt keine Heldinnen. Seiner Ansicht nach treiben Frauen Männer in den Wahnsinn oder zwingen sie als Ernährer und Samenspender in die Niederungen des Alltags. Ein Schelm, wer Janosch Bindungsangst unterstellt. Dabei ist er sich durchaus bewußt, daß er seinen Erfolg der weiblichen Leserschaft zu verdanken hat, die sich mit einem Plüschtiger am Rucksack ein Stück Kindheit herüberretten will.

Seit 1980 hat er keine Kinderbücher mehr verfaßt. Statt dessen kam die Vermarktungsmaschinerie in Gang. Keine Babyflasche ist vor der Tigerente mehr sicher, die Zeichentrickserie "Janoschs Traumstunde" ist ein Bestseller. Janosch hat erstaunlichen finanziellen Erfolg für jemanden, der nach eigener Darstellung wie ein Asket lebt, um immer unabhängig zu bleiben. Zur Kompensation hat er den "Emil-Grünbär-Club" gegründet, der sich gegen Umweltzerstörung wendet – Janoschs einzige Hinwendung an den Zeitgeist.

Sind die Kinderbücher also nicht schon gemein genug? Bei seinen Verehrern unbekannt oder zumindest unbeliebt sind seine Romane. Neben autobiographischen Romanen wie "Cholonek oder Der liebe Gott aus Lehm" oder "Gastmahl auf Gomera" hat er tatsächlich gar nicht nette Bücher über seine Zeit geschrieben. In "Sacharin im Salat" macht sich der Erzähler auf die Suche nach einem Gesprächspartner, um eine Entscheidung auszudiskutieren. Allerdings kommt er dabei nie zu Wort, sondern wird von seinen Partnern als Kummerkasten mißbraucht.

Eine Abrechnung mit der politischen 68er Generation, von deren "Krawallmacherei" sich Janosch um die fröhliche Anarchie der Hippiezeit betrogen fühlt, ist "Schäbels Frau" (1991). Schäbel ist eigentlich ein Hase und dementsprechend wenig intellektuell. Als Sohn eines reich gewordenen Mauerers hat er zu studieren und gelangt 1968 in die Großstadt. Er macht, was alle machen: schreibt sich für Politologie ein, betrügt den Staat um einige Stipendien, geht auf Demonstrationen und in die Politik und hat einigen Erfolg, weil er wie ein Hase immer lächelt. Er macht den Fehler, die Kommunistenschnepfe Gesine zu heiraten, die kaltlächelnd ihre Eltern abzockt, um sie dafür auch noch zu verachten. Der einzige echte studierende Proletarier hat einen Zwei-Zeilen-Auftritt, weil er den Protestlern zu konservativ ist. Schäbel wird von Gesine betrogen, sucht Zuflucht in einem Landgasthof und verliebt sich in die Wirtin. Um ihr zu imponieren, versucht er John Wayne nachzumachen. Da die Wirtin unbeeindruckt bleibt, kehrt er zu Gesine zurück, um sich weiter betrügen zu lassen. Daß Schäbel dann ohne Studienabschluß nach Bonn in die Politik geht, ist nahezu prophetisch.

Janosch entlarvt die Protagonisten durch ihre Sprache, da ist echt irgendwie ganz viel von Solidarität zu lesen, von offenen Beziehungen, von dem Establishment und einem ewigen "was soll’s". Die letzte Bosheit eines englischen Satirikers fehlt ihm aber noch. Leider hat Janosch vor kurzem bekundet, keine Erwachsenenbücher mehr schreiben zu wollen, weil ihm die Lektoren zuviel in den Texten herumsauten. Schade eigentlich, denn nun muß der interessierte Leser weiter auf ein wirklich gemeines Buch warten.


 
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