© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    11/01 09. März 2001

 
CD: Pop
Entspannt
Holger Stürenburg

Acht Jahre lang hatte man nichts von ihm gehört; er schien sich in Luft aufgelöst zu haben: Peter Cornelius, Liederschreiber, Komponist und Gitarrist aus Wien, hatte sich 1993 entnervt aus dem Musikgeschäft zurückgezogen. Er hatte es einfach satt, sich Kommerzzwängen zu unterwerfen, und sah keine Chance mehr, seine sanften Balladen im schnellebigen Popbusiness konstruktiv einzubringen. So wurde er im niederösterreichischen Purkersdorf heimisch und rührte jahrelang kein Musikinstrument mehr an. Anfang 2001 kehrte er jedoch in die Popszene zurück. "Lebenszeichen" ist der Titel seiner neuen CD, die in diesen Wochen bei Koch Music erschienen ist.

Peter Cornelius’ bald dreißigjährige Karriere begann Mitte der Siebziger in Österreich. Erste Singles wie "Die Wolkn", "Flickerlteppich" oder "Gib ma Dei Telephonnummer" avancierten in seiner Heimat zu beliebten Hits. Aber Cornelius wollte mehrals nur ein – wenn auch erfolgreicher – Teil der lokalen Popszene sein. So öffnete er sich dem deutschen Musikmarkt, schlug seine Zelte in München auf; zunächst als Grenzgänger, später zog er vollständig in die Isar-Metropole um.

Anfang der achtziger Jahre sorgte die Neue Deutsche Welle in Deutschland dafür, daß sich breite Hörerschichten gutgemachter, moderner Popmusik mit deutsch gesungenen Texten öffneten. Auch österreichische Kollegen wie Georg Danzer, Rainhard Fendrich oder Wolfgang Ambros profitierten von diesem Boom der deutschen Sprache in den Hitlisten und konzentrierten sich einige Jahre lang hauptsächlich auf das musikalische Geschehen in der Bundesrepublik. So konnte auch Peter Cornelius 1981 mit seinen LP’s "Der Kaffee ist fertig" und "Zwei" erstmals in Deutschland auf sich aufmerksam machen. Ebenfalls ein Erfolg wurde seine 1982 erschienene LP "Reif für die Insel". Erste Clubtourneen durch Deutschland fanden statt.

Doch Ende der achtziger Jahre sah es für deutsche Rock- und Popmusik sehr schlecht aus. Die Neue Deutsche Welle war längst verflossen, Nena, die Münchener Freiheit oder Purple Schulz waren nicht mehr die, die sie noch zwei, drei Jahre zuvor waren. Rainhard Fendrich überlebte als einziger Austropopper; Ambros, Danzer, gar Falco, waren keine Zeitgeistereignisse mehr; ihre aktuellen LP’s blieben wie Blei in den Regalen liegen.

Sehr sanft, äußerst erholt, persönlich und romantisch klingen die meisten der vierzehn neuen Songs von Peter Cornelius. Sein Können auf der Konzertgitarre tritt oft in den Vordergrund, die Arrangements wirken "unplugged", natürlich, alles andere als überladen. "Langsam tanzen", "Bei Dir schlafen" oder "Drei Wünsche frei" zeigen einen sehr persönlichen, sensiblen Künstler. Die Rockgitarren werden nur noch für die Neuaufnahme von "Reif für die Insel" und für "Positive Energie" herausgeholt. Eine neue Version von "Streicheleinheiten" klingt einfach besser, weil entspannter als das Original aus dem Jahre 1981. Tatsächlich strotzt das Album nur so von positiver Energie. Peter Cornelius hat zu sich selbst gefunden. Er summt, haucht sich durch seine Songs; es ist kein Funken von Aggressivität oder Depression mehr zu spüren.

Ein dickes Minus für das sonst gelungene Album gibt es jedoch für die scheußlichen Hip-Hop-Drumcomputer, die bei vielen Songs – gerade bei den Balladen – eingesetzt werden. Cornelius ist und bleibt ein Künstler der achtziger Jahre. Man erwartet von ihm seinen Stil, den er viele Jahre lang erfolgreich präsentiert hat. Da stören Instrumentierungen aus der heutigen Zeit den Hörgenuß.

Abzuwarten bleibt nun, wie die Fans auf sein "Lebenszeichen" reagieren. Bislang ist noch keine Tournee geplant; aber einige Radio-Promotermine nimmt Cornelius wahr. Skepsis ist jedoch angebracht; zur heutigen Zeit paßt "Lebenszeichen" nämlich ganz und gar nicht.


 
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