© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    11/01 09. März 2001

 
Technik: In Deutschland werden zahlreiche Produkte nur mit englischer Bedienungsanleitung verkauft
Zum Schluß hilft nur der Hilfeschrei
Martin Lohmann

Digitalkameras sind der letzte Schrei. Und nun habe ich mich entschlossen, mir auch so einen schönen Apparat zuzulegen. Die Kamera funktioniert prima, die deutschsprachige Menüführung ist leicht verständlich. Doch, oh Schreck! Beim Auspacken des vom Verkäufer empfohlenen passenden Lesegerätes für die Speicherkarte bemerke ich, daß keine deutsche Bedienungsanleitung enthalten ist. Lediglich eine auf englisch, und diese auf einer Diskette gespeicherten 30 Seiten darf ich praktischerweise auch gleich selbst ausdrucken. Mein Verständnis ist garantiert; im Ernstfall kann ich mich ja noch vertrauensvoll an die Kontaktadresse des Herstellers in Kalifornien wenden. Es kommt, wie es kommen muß: das Lesegerät, ohne das die Bilder nicht aus der Speicherkarte der Digitalkamera in meinen Rechner übertragen werden können, wird von meinem Betriebsystem nicht erkannt, obwohl es bei der fehlerfreien Installation etwas anderes behauptet hat. Der Blick in die englischsprachige Bedienungsanleitung hilft nicht viel weiter, denn manche wesentliche Passagen sind trotz einfachsten Wortschatzes in ihrem Sinn einfach nicht zu verstehen.

Daß Übersetzungen zu recht skurrilen Ergebnissen führen können, ist mit einem Beispiel aus Afrika zu belegen: dort fand man bei der Übersetzung der Bibel in einen afrikanischen Dialekt für den Begriff "Ehrergebenheit" keine passende Entsprechung, so daß sich die Übersetzer auf die Umschreibung "Hund-der-auf-dem-Boden-liegt-und-mit-dem-Schwanz-wackelt" einigten.

Eine Rückfrage beim Verkäufer der Kamera ergab, daß auch er keine Ahnung hat, er verkauft nur. Bei den meisten Kunden funktioniere alles. Beim Hinweis auf die fehlende deutsche Übersetzung reagiert er ratlos. Englisch sei nun einmal Techniksprache Nummer eins auf der Welt. Ich entgegne, daß es mir aber neu sei, daß Englisch inzwischen auch schon offizielle Landessprache in Deutschland geworden sei. Rückfragen beim Importeur: der entscheidende Hinweis, daß ich zuerst die Speicherkarte in das Lesegerät einlegen muß und dann den Rechner zu starten habe. Dann erkennt mein Betriebsystem auch das Lesegerät mit der Karte. Zumindest soweit reicht mein Englisch, daß die Bedienungsanleitung aber exakt den umgekehrten Weg beschrieb.

Oh glückliches Frankreich! Dort ist der Kunde noch vor solchen Zumutungen geschützt. Wer es wagt, dort ein Produkt ohne französische Übersetzung der Bedienungsanleitung auf den Markt zu bringen, darf dank der Gesetze zum Schutz der französischen Sprache im Alltag mit einer empfindlichen Geldbuße in Millionenhöhe rechnen. Aber hier können wir noch lange auf solche kundenfreundliche Einsicht des Gesetzgebers warten.


 
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