© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    13/01 23. März 2001

 
Mißbrauch des guten Willens
Brandenburg: Cottbuser Kirchengemeinde von Asylbewerbern ausgenutzt / Von Abschiebung Bedrohte sind spurlos verschwunden
Steffen Königer

Seit der Verschärfung des Asylrechtes 1993 kommt es immer wieder zur Flucht von Asylberwerbern in Räume der Kirche. Das sogenannte "Kirchenasyl" ist die letzte Hoffnung der Asylanten, der Rückführung in ihr Herkunftsland zu entgehen. Dort angekommen, sind sie meist unerreichbar für die Behörden, die sich ihrerseits zurückhalten.

In Cottbus ersuchte im Dezember letzten Jahres eine Albanerin bei der Klosterkirchgemeinde um Asyl, nachdem alle rechtlichen Mittel ausgeschöpft waren und sämtliche gestellten Anträge abgelehnt wurden, deshalb folglich die Abschiebung zurück in das Kosovo unumgänglich schien. Sieben Jahre hatte die siebenköpfige Familie es geschafft, in einem Asylbewerberheim auf eine endgültige Entscheidung über ihren Antrag zu warten. Nach der Ankündigung der Abschiebung setzte sich die "Arbeitsgruppe Flucht und Migration" beim Gemeindepfarrer Wolfgang Gürtler dafür ein, daß die Kirche nun der Familie Unterschlupf geben sollte. Zur Begründung wurde angeführt, Miradi Dobratici – die Mutter der achtköpfigen Familie – hätte einen serbischen Mann, und was das im Kosovo angesichts der Greuelbilder aus dem Fernsehen zu bedeuten hätte, könne sich wohl jeder selbst ausmalen.

Der Gemeindekirchenrat willigte wegen des Zeitdruckes vorerst ein, Asyl zu gewähren. Man sah sich nicht in der Lage, so kurzzeitig zu recherchieren, ob alle Angaben der Wahrheit entsprächen. Dobratici gab zusätzlich an, ihr Mann sei wegen Doppelspionage im Kosovo inhaftiert. Die Familie zog am 15. Dezember in die Kirchenräume ein und wurde von Kirchenmitgliedern betreut, die sogar eine psychologische Hilfe ermöglichten.

Doch was ist eigentlich Asyl? Das Wort "Asyl" ist griechischer Herkunft. Es bedeutet "Zufluchtsstätte", in der man vor Verfolgung geschützt sein sollte. Orte des Kirchenasyls, als von politischem Asyl noch nicht gesprochen wurde, waren schon seit dem Mittelalter üblicherweise Kirchen, Kapellen, Klöster, Pfarrhäuser, Heilig-Geist-Spitäler. Der Schutzbereich umfaßte in der Regel die Kirche mit Friedhof, den Pfarrhof, das Kloster und den Bezirk innerhalb der Klostermauer. Bereits durch eine Berührung des Kirchenportals erlangte man das Recht auf Asyl, was dann von Bedeutung war, wenn ein Verfolgter vor verschlossenen Türen stand.

Das Kirchenasyl war vom Mittelalter bis 1983 im Kirchenrecht fixiert. Die Kirche überantwortete im 18. Jahrhundert Asylanten nur dann der weltlichen Gerichtsbarkeit, wenn ihr zuvor versichert wurde, daß der Verfolgte nicht zu schweren Leibesstrafen oder gar zur Todesstrafe verurteilt werden würde. Der Asylant sollte in jedem Fall auf freiwilliger Basis das Kirchenasyl verlassen. Heute wird die Erneuerung des Kirchenasyls sowohl von katholischen wie von evangelischen Christen diskutiert. Staat und Kirchen ringen um neue Formen des Umganges mit dem Kirchenasyl.

Doch im Fall der kosovarischen Familie in Cottbus stellte sich leider kein Fall von wirklicher Verfolgung heraus. Nach den von der Gemeinde in Auftrag gegebenen Nachforschungen stellte die UNO fest, daß der Mann in Wahrheit ein Albaner sei und sich in seinem Heimatdorf frei bewegen konnte. Doch es kam noch schlimmer: gegen zwei Söhne der Asylsuchenden liefen Ermittlungsverfahren. Der 22jährige ist der Polizei bislang 38mal aufgefallen, unter anderem steht er unter dem Verdacht, Drogendelikte begangen zu haben. Der 19jährige Sohn hatte bereits 59mal Bekanntschaft mit der Polizei geschlossen. Unter anderem wegen Diebstahl, Einbruch und schwerer Nötigung wurde gegen ihn ermittelt. Beide wurden in den Räumen der Kirche festgenommen, ohne daß sie oder Gemeindemitglieder dagegen noch Widerstand leisteten.


 
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