© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    13/01 23. März 2001

 
Der katholische Bischof von Mostar, Monsignore Ratko Peric, schrieb an den deutschen Botschafter in Sarajevo, Hans Jochen Peters

Mostar, 12. Dezember 2000

Herr Botschafter! Ich bedanke mich aufrichtig für Ihren Brief vom 24. November. ... "Meine Regierung", so schreiben Sie in Ihrem Brief, "und ich persönlich sehen mit großer Sorge die ungute Entwicklung, die das Verhältnis zwischen der HDZ als der Partei, der die Kroaten in diesem Lande in diesem Lande in ihrer großen Mehrheit die Vertretung ihrer politischen Interessen anvertraut haben, und der internationalen Gemeinschaft in den letzten Wochen genommen hat." Sie fügen auch hinzu, daß Sie "nicht jede der Entscheidungen, die in letzter Zeit auf beiden Seiten getroffen wurden, für glücklich halten" ...

Ich wundere mich aber: Wieso wird dann aber eine Entscheidung der HDZ, die zum Beispiel "nicht glücklich" sei, mit Sanktionen belegt – aber die unglückliche Entscheidung der internationalen Gemeinschaft kanonisiert? Wenn die kroatischen Vertreter wegen einer solchen Entscheidung abgesetzt und abberufen werden, sollte dann die internationale Gemeinschaft nicht nach den gleichen Kriterien jene aus ihren Reihen absetzen und abberufen, die ihrerseits verkehrte Entscheidungen getroffen haben?...

Der römische Jurist Domitius Ulpian definierte vor 1800 Jahren folgendermaßen die Gerechtigkeit: constans et perpetua voluntas jus suum cuique tribuendi – die ununterbrochene und dauerhafte Bemühung, daß man jedem sein Recht gibt..." Ich glaube, daß unser Herr Jesus die Gerechtigkeit noch treffender beschrieb: "So gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist." (Matth. 22, 21) Und siehe da – das Paradox: Der gleiche Jesus wurde von kaiserlichen Prokuratoren ungerecht zum Tode verurteilt!

Leider hat das kroatische Volk dem Kaiser und den Kaisern über alle Maße gegeben, durch viele Jahrhunderte – und heute gibt es dem zeitgenössischen internationalen Kaiser und seinen Prokuratoren in Sarajevo (einen etwas kleineren Prokurator gibt es auch in Mostar). Wenn aber diese Kaiser anfangen, sich die Prärogtive Gottes anzueignen und sich mit der "Bibel von Dayton" unter dem Arm wie "Götter" aufführen, wenn sie die Grundrechte ignorieren, die jedem einzelnen Menschen und damit auch dem kroatischen Volk zustehen – dann beginnt in diesem Volk das Selbstbewußtsein und das freiheitsliebende Blut in den Adern zu kochen und es wird bereit sein, sich auf demokratische Weise den Gewalthaber vom Halse zu schaffen! Zum Rahmen, wo die kaiserliche Gerechtigkeit in dieser Welt verteilt wird, zählt auch das "Haager Tribunal für die Strafverfolgung von Verantwortlichen für schwere Verletzungen des internationalen Rechts auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien".

Es sollte das Gericht der höchsten Gerechtigkeit – summa justitia – sein, aber immer mehr wird es summa iniuria – höchste Ungerechtigkeit: Ein mächtiges politisches Mittel n den Händen der internationalen Gesellschaft vor dem internationalen Gerichtshof wegen der Verbrechen im international geschützten Srebrenica stehen, wenn Dresden und Hiroshima schon längst vergessen sind? ...Ein Referendum und die Kroatische Volksversammlung zu bekämpfen … heißt, das kroatische Volk zu bekämpfen. Die internationale Gemeinschaft verhält sich wie Josef Stalin: Ich will nicht, daß man mich liebt, sondern fürchtet!

Herr Botschafter, ich bitte Sie persönlich im Namen der von Ihnen erwähnten "Verbundenheit" Ihres Landes mit dem kroatischen Volk: Unterstützen Sie die Kroaten in Bosnien-Herzegowina, damit sie alle Rechte und Freiheiten erwerben, die einem modernen, zivilisierten Volk zustehen.


 
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