© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    15/01 06. April 2001


Familiendrama
von Mina Buts

Die deutlichen Unterschiede zwischen christdemokratischer und sozialdemokratischer Familienpolitik zeigten sich immer unmittelbar nach einem Wahlausgang: War es eine der ersten Amtshandlungen der Regierung Kohl 1983, das Kindergeld für sogenannte Besserverdienende zu halbieren, so beeilten sich die Sozialdemokraten, dieses gleich nach dem Urnengang drastisch zu erhöhen.

Das familienpolitische Engagement in der langen Ära Kohl beschränkte sich darauf, Vorgaben der EU oder des Bundesverfassungsgerichts zu erfüllen, eigene Impulse waren nicht auszumachen. Um so energischer will sich nun die rot-grüne Koalition dieses Themas bemächtigten. "Die gesamte Gesellschaft", so verkündete Gerhard Schröder soeben in der Welt, "muß in den Genuß familienfreundlicher Maßnahmen kommen." Die Menschen dürften nicht weiter gezwungen sein, zwischen "einem glücklichen Familienleben und einer erfolgreichen Karriere" zu wählen. Mit flexibleren und umfangreicheren Kinderbetreuungsangeboten, mit durch Bildung und Qualifizierung verbesserten Chancen auf dem Arbeitsmarkt soll Frauen und natürlich auch Männern endlich die Chance geboten werden, Familie und Beruf besser miteinander zu vereinbaren. Neu ist, daß es die Sozialdemokraten nicht länger als Verrat an der Frauenemanzipation ansehen, wenn Frauen sich ausschließlich auf "Haus und Familie" konzentrieren. Die Erinnerung an die Ära Kohl ist noch präsent genug, um Lippenbekenntnisse als solche zu erkennen.


 
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