© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    15/01 06. April 2001

 
Eva Wagner-Pasquier
Brünhilde in Bayreuth
von Konrad Pfinke

Nun hat man also in Bayreuth eine neue Päpstin gekürt – doch ist immer noch nicht sicher, ob und wann sie ins Amt eingesetzt wird. Der Stiftungsrat der Bayreuther Festspiele ist zu dem Ergebnis gekommen, daß die Tochter Wolfgang Wagners "die geeignete Nachfolgerin" in der Leitung der Festspiele ist.

Zwar sieht es nach der ersten Reaktion des unkündbaren Festspielleiters aus, als ob die Inthronisation der Tochter auf den Sankt Nimmerleinstag verschoben wird, doch bringt Eva Wagner-Pasquier die unbestreitbare Qualifikation für die Leitung der von Mythen wie Manien umwobenen Opernfestspiele mit. Kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges, am 14. April 1945, wurde sie als Tochter von Wolfgang und Ellen Wagner geboren. 1951 besuchte sie erstmals die Festspiele, 1966, nach dem Tod ihres Onkels Wieland Wagner, wurde sie Mitarbeiterin der Festspielleitung Wolfgang Wagners. Sie entdeckte den grandiosen Sängerdarsteller Peter Hoffmann, war im wesentlichen mitverantwortlich für das Zustandekommen des legendären "Chereau"-Rings – und wurde doch im Premierenjahr 1976 vom Grünen Hügel verstoßen, da der regierende Potentat neben der neuen Herrin – Gudrun Wagner – keine zweite starke Frau duldete.

Schon während ihrer Bayreuther Zeit absolvierte sie Regiehospitanzen im Londoner Covent Garden und an der Wiener Staatsoper. Nach ihrem unverständlich harten Hinauswurf arbeitete sie als Direktionsassistentin bei der Unitel Film des Medienmoguls Leo Kirch. Von 1984 bis 1987 war sie "Opera Director" in Covent Garden, von 1987 bis 1993 Programmdirektorin an der Pariser Bastille-Oper, danach war sie an der Houston Grand Opera und als künstlerische Beraterin beim Intendanten des Pariser Teatre du Chatelet tätig, schließlich an der Met und beim renommierten Festival von Aix-en-Provence. Wolfgang Wagners böses Wort, sie sei unfähig, Chefin am Hügel zu werden, findet in ihrem Berufsweg keine Begründung.

Problematisch ist allein die Labilität der versierten Managerin. "Der Schmerz", so die andere Wagner-Tochter Nike, "der Schmerz, der ihr durch die Vertreibung aus dem Wagner-Paradies zugefügt worden ist, von einem Vater, von dem sie sich innerlich nicht lösen kann, markiert sie, läuft wie ein blutiger Striemen durch ihre Persönlichkeit." Da der Vater bis heute keinen Zeitpunkt für seinen Rücktritt benannt hat, beschloß Eva Wagner, die von Anfang an die besten Nachfolge-Chancen hatte, Ende vorigen Jahres aus dem Wahl- und Gerüchtekarussell auszusteigen. Der bayerische Kultusminister konnte sie zwar zum Rücktritt vom Rücktritt bewegen, ob sie aber des Vaters Wotanszorn mit einem erneuten Verzicht bezahlt, bleibt abzuwarten.

Tritt Eva Wagner, wie vom Stiftungsrat vorgesehen, am 1. Oktober 2002 die Stelle im Familienbetrieb, der längst keiner mehr ist, an, dürfte die Besucher ein künstlerisch souveräner Opernbetrieb erwarten, der die Waage zwischen Experiment und Bewahrung klug im Gleichgewicht hält. Wagners Nornen aber raunen noch: "Wißt Ihr, wie das wird?"


 
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