© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    15/01 06. April 2001

 
Die Angst vor dem Kassensturz
Parteien: Nach den CDU-Finanzen rücken auch die der SPD ins öffentliche Blickfeld / Beteiligungen statt "schwarzer Koffer" / Rotes Medienimperium
Alexander Schmidt

Zunehmend gerät auch die SPD in der Frage der Parteienfinanzierung unter Druck. Der nach sachkundigen Schätzungen milliardenschweren und somit reichsten Partei Europas wird unter anderem vorgeworfen, sich ein Finanz- und Beteiligungsimperium geschaffen zu haben, in dem mit Treuhandverträgen große Summen an den Rechenschaftsberichten der Partei vorbeigeschleust werden.

Ermöglicht wird dies nach Aussagen von Lothar Schruff, Professor am Institut für Rechnungs- und Prüfungswesen privater und öffentlicher Betriebe der Universität Göttingen, über den Weg der "Quersaldierung". Mit diesem finanzbuchhalterischen Trick erscheinen Vermögen und Erlöse kleiner, als sie tatsächlich sind.

Während in Rechenschaftsberichten Einnahmen ihren korrespondierenden Ausgaben gegenübergestellt werden, verrechnet die SDP alle Einnahmen mit allen Ausgaben. So können interne Finanzierungswege über Mitgliedsbeiträge, Kredite und Erlöse aus Beteiligungen überdeckt werden. Diese Praxis verstößt jedoch gegen die rechtlichen Grundlagen der Parteifinanzierung. Ebenso verhindert die Parteiführung Einblicke in das eigene Finanzimperium. In einem der JUNGEN FREIHEIT vorliegenden Papier der Unionsfraktion im Bundestag heißt es, daß selbst Historikern der Zugang zu Archiven verwehrt wurde, um SPD-Politiker vor "schweren Schäden" zu schützen.

Das erfuhr auch Stefan Appelius, der mit Unterstützung der SPD-nahen Friedrich-Ebert Stiftung eine wissenschaftliche Arbeit über den SPD-Politiker Fritz Heine verfaßt hat und auf die Akteneinsicht in sozialdemokratische Wirtschaftsbetriebe angewiesen war, aber an parteiinternen Widerständen scheiterte. Appelius kommt zu dem Ergebnis, daß "eine Öffnung der betreffenden Unterlagen zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt" gewesen sei. Vielmehr habe das Parteipräsidium im Frühjahr 1997 sämtliche Akten gesperrt, die mit den Wirtschaftsbetrieben der Partei in Zusammenhang ständen.

Aus einem Briefwechsel zwischen Helmut Schmidt und der Schatzmeisterin Inge Wettig-Danielmeier geht hervor, daß die fraglichen Akten Informationen enthielten, die der SPD "schweren Schaden" zufügen würden. Außerdem könne durch das Auswerten der Akten das Ansehen "verstorbener und noch lebender Genossen" Schaden nehmen.

Im Zentrum des Finanzimperiums steht die SPD-eigene Medienholding Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft mbH (DDVG), die laut Informationen des CDU-Papiers im Jahr 1998 18,4 Millionen Mark an die Partei ausgeschüttet hat. Auch im Jahr 1999 flossen wieder 14 Millionen Mark aus der DDVG in die Parteikasse, und für das Jahr 2000 "dürfte das Ergebnis nicht schlechter sein", wie Jens Berendsen im Januar ankündigte.

Von den knapp 19 Millionen Mark aus dem Jahr 1998 wurden jedoch nur knapp 2,5 Milliarden Mark im Rechenschaftsbericht des gleichen Jahres aufgeführt sind. Das ist das Ergebnis der "Quersaldierung", die nach Aussagen der Rechtsgutachter Peter Badura und Lothar Schruff "nicht den gesetzlichen Anforderungen an die in den Rechenschaftsbericht aufzunehmende Einnahmenberechnung" entspricht.

Mißtrauen erweckt die DDVG jedoch nicht allein wegen ihrer Beteiligung an 43 Firmen, darunter 22 Zeitungen mit einer Gesamtauflage von 1.949.000 Exemplaren und 16 Radiosendern. Neben vielen Druckereien, die häufig zu 100 Prozent parteieigen sind, gehören auch Antiquariate, Reisebüros und Consulting-Firmen in das Imperium der Sozialdemokraten.

Außerdem bestehen wirtschaftliche Verknüpfungen und somit auch Einflußmöglichkeiten zu fast allen großen Verlagshäusern in Göttingen, Leipzig, Essen, Hagen, Dortmund, Bielefeld, Cuxhafen, Dresden, Bayreuth und Plauen. Durch Beteiligungen von Gesellschaftern, die wiederum mit der DDVG verbunden sind, können Zeitungen wie das Göttinger Tageblatt oder die Dresdner Morgenpost – neben vielen anderen – als Parteiorgane fungieren.

Die Höhe der Beteiligungen gab Schatzmeisterin und Gesellschafterin der DDVG, Wettig-Danielmeier, insgesamt mit 750 Millionen Mark an. Mit dem in der früheren Presseholding Konzentration GmbH gesammelten Grundbesitz dürfte die Partei sogar ein Milliardenvermögen addieren, heißt es in der Union.

Parallel dazu existierte in der Baracke ein System, in dem Spenden in Millionenhöhe über die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) an die israelische Fritz-Naphtali Stiftung (FNS) über deren Schweizer Nummernkonto überwiesen und die gleichen Beträge in Form von Barspenden zurückerstattet wurden.

Die Bonner Staatsanwaltschaft kommt zu dem Ergebnis, "daß von 1975 bis 1980 ca. 19 Millionen Barspenden bei der SPD eingezahlt worden sind, denen fast ein gleich hoher Betrag von Zahlungen der FES an die FNS gegenübersteht", während das Schweizer Bundesgericht "auf besondere Machenschaften oder auf ein ganzes Lügengebäude und damit auf Arglist im Sinne der aufgezeigten bundesgerichtlichen Rechtsprechnung" schließt.

Ebensowenig steht die SPD der Union im Bereich der "schwarzen Koffer" nach, sie brachte es 1980 jedoch sogar auf sechs Millionen nicht verbuchter Spenden unter ihrem damaligen Schatzmeister Friedrich Halstenberg.

Der Treppenwitz liegt in einem vertraulichen Vermerk Halstenbergs. Am letzten Tag des Jahres notierte er, den Spendern sein Wort gegeben zu haben, über die Herkunft keine Auskunft zu geben.

 

 

Leserbrief in Ausgabe 18/01 zu: "Die Angst vor dem Kassensturz" von Alexander Schmidt, JF 15/01

Alles ein paar Nummern kleiner

"Das hätten Sie wohl gern", hätte Herbert Wehner sicher auf Wertungen Ihres Artikels geantwortet. Weder hat die SPD Angst vor dem Kassensturz, noch gerät die SPD zunehmend in der Frage der Parteienfinanzierung unter Druck. Die Behauptungen beruhen auf einer mangelhaften Kenntnis des Parteiengesetzes und des Handelsrechts, denn diese Bestimmungen hat die SPD – wie auch die anderen Parteien – eingehalten. Die Diskussion des letzten Jahres konzentrierte sich auf die Frage, ob dieses für das Transparenzgebot bei den Parteifinanzen ausreicht.

Die kritisierte "Saldierung" entspricht dem geltenden Parteiengesetz, daran ändern auch die Gutachten von Badura und Schruff nichts, denn es gibt weitaus mehr Meinungen, die die Saldierung für rechtlich zwingend halten. Und es gibt die Praxis der Saldierung seit 1968, die von allen Parteien beachtet wurde.

Von grober Unkenntnis des Parteiengesetzes zeugt Ihre Behauptung, daß über die Saldierung der "Mitgliedsbeiträge überdeckt" werden könnten. Bei den Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen darf nicht saldiert werden. Nur bei zwei Einnahmewerten muß saldiert werden; aber auch das erscheint im Rechenschaftsbericht. Ebenfalls von geringer Kenntnis der Veröffentlichungen über unsere Beteiligungen und über unsere Eigenfirmen ist die von Ihnen referierte Zusammenstellung. Keine Zahl stimmt. Vor allem den Plural und das Adjektiv "viele" sollten Sie meiden, wenn Sie den Sachverhalt nicht überprüft haben. Dazu nur kleine Korrekturen: Die SPD besitzt drei kleine bis mittlere Druckereien (um 50 Beschäftigte), an einer weiteren ist sie beteiligt. Sie besitzt nur ein Reisebüro und ein Antiquariat im Willy-Brandt-Haus in Berlin sowie auch nur eine Consulting-Firma in Berlin, die Buchhaltungs- und EDV-Aufgaben erledigt. Alles ein paar Nummern kleiner als von der JUNGEN FREIHEIT dargestellt.

Als i-Punkt für die Geschichten über die "dunklen" Finanzen müssen dann immer Ladenhüter herhalten: Das stattsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren in Bonn wegen der Fritz-Naphtali-Stiftung. Zum wiederholten Male muß ich dazu feststellen, daß das Verfahren eingestellt wurde, ohne daß Belastendes gegen die SPD bewiesen wurde. Ebenso verfälschend wird die Spendensammelaktion des früheren Schatzmeisters Alfred Nau aus dem Jahre 1980 dargestellt. Solche Spendensammelaktionen, die Einzelspenden anonymisieren, waren bis 1983 legal, deshalb machten alle Bundestagsparteien davon Gebrauch und anonymisierten in noch größerer Höhe Spenden. Die Sammelspende von Nau wurde verbucht und im Rechenschaftsbericht ausgewiesen. Dies ist der entscheidende Unterschied zu den "schwarzen Koffern" von Kohl, Kanther und Kiep.

Inge Wettig Danielmeier, Schatzmeisterin der SPD, Berlin


 
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