© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    15/01 06. April 2001

 
Lebensmale
Kino: "Heidi M." von Michael Klier
Ellen Kositza

Brüste, die nicht länger gegen die Schwerkraft aufbegehren wollen, der Lippenstift zerädert in der Vielzahl kleiner Fältchen, und doch ist es noch ein Gesicht, sind es Bewegungen, die Männerköpfe verdrehen. Kein Yoga-und reines-Quellwassser-gedüngter Christiane-Kaufmann-Typ, kein fitter Vamp à la Iris Berben, sondern eine Frau mit Lebensmalen um Mund und Augen von vitaler, doch gleichzeitig rührender Schönheit: das ist Heidi M. (Katrin Saß), Ende Vierzig, Mutter einer flüggen Tochter, nach neunzehnjähriger Ehe geschieden. Heidi hat sich mit ihrem Schicksal arrangiert und versucht, auf den verbliebenen Trümmern aufzubauen. Ein Tante-Emma-Laden in Berlin-Mitte bildet das Zentrum ihrer Existenz. Ihr treuer Kundenkreis – die verwirrte Alte aus der Nachbarschaft, der stets zahlungsunfähige junge Kneipier, die nette Ärztin von nebenan – stellt ihren Familienersatz dar, ansonsten: flüchtige Begegnungen mit attraktiven Männern. Wäre da nicht der wortlose, erklärungsfreie Weggang des Ehemannes, dieser Schmerz, die längst nicht verwundene Kränkung, die innere Einsamkeit.

Da betritt eines Tages der Flugzeug-Ingenieur Franz (Dominique Horwitz) ihren Laden, auch er, wie sich bald herausstellt, innere Verletzungen kurierend, geschieden wie sie und stets auf den Spuren seines halbwüchsigen Sohnes, der ihn aber ignoriert. So finden Franz und Heidi einander, trösten sich, begehren sich. Doch immer wiegt das Mißtrauen zu schwer, ist die Hypothek der Vergangenheit ein tonnenschweres Gegengewicht, das die beiden nicht wirklich zueinander finden läßt. Mißverständnisse und dumme Zufälle scheinen immer wieder den neuen Beweis zu erbringen, daß das Glück unwiederbringlich geflohen ist. Der feierlich von Franz überreichte "Verlobungsring" ist Heidi blanker Hohn, zutiefst gekränkt zieht sie sich zurück. Die entscheidende Wende steht an, als es ihr endlich gelingt, ihren Ex-Gatten zur längst überfälligen Rede zu stellen: "Ich wollte noch einmal jung sein, und in dieses Gefühl hast du einfach nicht hineingepaßt", röchelt der einst so fesche Winnie, herzattackengequält und übermannt vom erschöpfenden Säuglingsgeschrei des Sprosses, den er mit seiner jungen Geliebten zeugte.

Thematisch ist der Film heikel, da einige Klischees naheliegen, ein peinlicher "zweiter Frühling" etwa oder der abgedroschene Kampf der reifen Frau gegen eine taufrische Konkurrentin, und außerdem: Sexualität und das Alter, auch wenn die Fünfzig noch nicht überschritten sind und die Akteure als leidlich attraktiv empfunden werden dürften – eigentlich will man das nicht sehen, man ist es nicht gewohnt und scheut somit den Blick auf die Leinwand. "Heidi M." jedoch fällt nicht aus der Rolle, die ihr der Regisseur zugedacht hat, nie wird sie geschönt, und doch hält sie sich von Peinlichkeiten fern, altert schön und souverän.

Dies alles ist vielleicht zu alltäglich, um aufregend zu sein. Auch endet der Film unsensationell, hoffnungsversprechend immerhin. Und doch bleibt mehr Bitterkeit als Trost. Michael Klier hat mit hohem Anspruch und hervorragenden Darstellern ein Frauenporträt gezeichnet, das diesen Namen verdient.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen