© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    17/01 20. April 2001

 
Ronald B. Schill
Joker für Hamburg
von Claudia Hansen

Wären am nächsten Sonntag in Hamburg Wahlen, dann könnte Ronald B. Schill mit rund zehn Prozent der Stimmen rechnen: Beim Gang durch die Fußgängerzone seiner Vaterstadt erhält er viel Zuspruch und Glückwünsche. Vor allem die Frauen "fliegen" auf den modisch gekleideten, gut gebräunten, 1, 93 Meter großen Juristen von 42 Jahren, dessen Freizeitbeschäftigungen Segeln, Surfen und Fallschirmspringen waren – früher. Heute strebt Schill in die Politik.

Seit 44 Jahren regiert die SPD die Hansestadt, zuletzt mit der Grün-Alternativen-Liste (GAL) als Koalitionspartner. Glaubt man den Meinungsforschern, so führt der rot-grüne Senat noch deutlich vor den bürgerlichen Herausforderern. Allerdings ist mit Schill ein Joker im Spiel, der Bürgermeister Ortwin Runde einiges Kopfweh bereitet. Das zentrale Thema des Hamburger Wahlkampfs wird die Innere Sicherheit sein. Schill bezieht hier klare Positionen: "Hamburg hat deutschlandweit die größte offene Drogenszene, die meisten Raubüberfälle, die höchste Jugendkriminalität und gleichzeitig die niedrigste polizeiliche Aufklärungsquote."

Für Schill ist das der Beweis, daß der Staat in der Verbrechensbekämpfung versagt hat. Besonders der Hamburger Justiz sagt er "ein Herz für Verbrecher" nach, und "68er-Staatsanwälte" sind für ihn "zahnlose Papiertiger". Soviel Kritik hört der Dienstherr nicht gerne, und deshalb wurde Schill zum Jahresbeginn 2000 ans Zivilgericht zwangsversetzt. Seiner Popularität tat das keinen Abbruch. Auch dem linksliberalen Abendblatt schien es, "daß hier ein unliebsamer Richter diszipliniert und mundtot gemacht werden soll". Ebensowenig schadete Schill die linke Empörung, als er zwei pöbelnde Zuschauer aus der linksautonomen Szene im Gerichtssaal verhaften ließ und drei Tage in Ordnungshaft hielt. Das Oberlandesgericht verurteilte ihn zu 12.000 Mark Geldstrafe, weil er die Beschwerden der beiden Störer nicht weitergeleitet habe, um sie "schmoren zu lassen". Der Prozeß bescherte Schill nationale Bekanntheit und seiner neu gegründeten "Partei Rechtstaatliche Offensive" einige hundert neue Mitglieder.

Meinungsforscher zeigen sich überrascht, wie stabil die Zustimmung zu Schills Partei ist. Hält der Trend an, könnte bei der Bürgerschaftswahl im Herbst die linke Dominanz gebrochen werden. Schon einmal, in den frühen fünfziger Jahren, gab es in der Hansestadt einen "Bürgerblock" aus CDU und FDP, der rechtskonservativen Deutschen Partei (DP) und dem Block der Heimatvertriebenen und Entrechteten (BHE). Ole von Beust, der Spitzenkandidat der CDU, hat bereits sein Einverständnis signalisiert: Schill sei "rechts, aber nicht rechtsradikal". Auch die FDP würde sich, falls sich tatsächlich die Chance böte, der von Schill vorgeschlagenen "Koalition der Vernunft" wohl nicht verschließen. Bundespolitisch wäre eine Koalition mit Schill ein wichtiges Signal: Die CDU akzeptierte erstmals wieder einen Partner rechts von ihr!


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen