© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    17/01 20. April 2001

 
Bitte um eine gute Nachred!
Dokumentation: Die letzte Staberl-Kolumne der "Krone"
Richard Nimmerrichter

Es ist mir klar", so schrieb mir vor einiger Zeit einmal ein Leser in ei-nem von mir auch veröffentlichten Brief, "daß es bei der Kronen Zeitung mehrere Staberln geben muß. Schließlich muß Sie ja einer vertreten, wenn Sie krank sind oder auf Urlaub gehen."

Kurios, auf welche Vermutungen die Leute bisweilen kommen. Wahr ist ja nun, daß es bei uns in der Krone seit dem 1. Februar1965 immer nur einen einzigen Staberl gegeben hat. In all dieser langen Zeit bin ich nun, sehr zu meinem eigenen Glück, kaum jemals krank gewesen, jedenfalls nicht ernstlich. Aber immerhin mußte mir mein lieber alter Freund Robert J. einmal links die Achillessehne zusammenflicken, dann wiederum rechts den Meniskus samt Knorpel entfernen; beides zu meiner höchsten Zufriedenheit übrigens. Beides rührte vom Sport her. Merke: Treibe Sport oder bleibe gesund. Da war es damals dann auch eine Art Sport, meinen Staberl im Spital zu schreiben.

Urlaub aber? Da erhalte ich dieser Tage erst von unserer Personalabteilung die folgende routinemäßige Mitteilung: "Bei Überprüfung der Urlaubsguthaben stellten wir fest, daß Sie mit Stichtag 31.1.01 nach wie vor 123 Urlaubstage stehen haben. Das Urlaubsgesetz sieht die Verjährung von mehr als 3 Jahresansprüchen vor. Wir ersuchen Sie daher, Ihre Urlaubsguthaben abzubauen. Außerdem weisen wir darauf hin, daß die Bestimmungen über die Verjährung zum nächsten Bilanzstichtag am 30.6.01 entsprechend angewendet werden müssen." So, da hatte ich’s schwarz auf weiß. Drei Jahre Urlaub habe ich noch "stehen". Und am 30. Juni verfällt laut Gesetz wieder ein Jahr, und ein neues kommt hinzu, so daß ich für alle Zeiten stets 123 Urlaubstage stehen hätte.

Die Sache erregte, frei gestehe ich’s, meine Neugierde. Wie viel vergangener Urlaub mochte schon verjährt und verfallen sein? Antwort nach Kontakt mit dem Personalbüro: Rund 90 Wochen! Oder sogar, wenn man Feiertage und freie Wochenenden dazuzählen wollte: etwa zwei Jahre. Die Sache löste bei mir einen Gedankenprozeß aus. Unlängst erst, so kalkulierte ich, bin ich 80 Jahre alt geworden. Einen Grund zur Klage fühle ich darüber nicht. Ich bin so gesund, wie man sich’s in diesem Alter nur wünschen kann. Weit gesünder auch, als ich mir dies etwa am 4. November1945, als ich 25jährig mit 48 Kilo Gewicht aus dem Krieg heimgekommen bin, je hätte träumen lassen. Aber nun wird ja die Zeit immerhin schon ein bisserl knapp. Da möchte ich einmal gern wie alle anderen auf Urlaub gehen. Von jetzt und vor dem 30. Juni noch, daß mir nicht wieder ein Jahr durch die Lappen geht. Und dann später noch einmal zwei Monate, Kreuzfahrt rund um die Welt vielleicht.

Bei einem saftigen Beinfleisch mit Apfelkren und Schnittlauchsauce habe ich diesen Wunsch meinem Freund und Krone-Chef Dichand vorgetragen. Begeistert war er nicht, aber Verständnis für meinen Wunsch hat er am Ende gehabt. Sie aber, meine Freunde und Leser, kennen jetzt meine Urlaubspläne. Ich bitte um eine gute Nachred!

 

Richard Nimmerrichter schrieb diese (vorerst) letzte Kolumne am 28. März für die Wiener "Neue Kronen Zeitung".


 
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