© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    18/01 27. April 2001

 
PRO&CONTRA
Love Parade verlegen?
Hans-Heiner Steffenhagen / Günter Jucho

Die Love Parade ist nicht mehr das, was sie einmal war, als sie noch über den Ku’damm zog. Vielleicht gab es seinerzeit auch noch eine gewisse Berechtigung, sie eine Demonstration zu nennen. Heute ist das anders. Sie hat inzwischen eine Entwicklung erfahren, die sie offensichtlich schwer beherrschbar, ja kaum organisierbar macht. Und wenn man sich die Abschlußreden von Dr. Motte ins Gedächtnis ruft: Eine politische Botschaft sucht man vergebens.

Auf keinen Fall verdient die Love Parade den Schutz des Artikel 8 des Grundgesetzes oder des Versammlungsgesetzes. Die bisher so gehandhabte Praxis stellt einen Mißbrauch, ja die Verhöhnung des hohen Rechts der politischen Versammlung dar. Schlimmer noch – und das ist der eigentliche Vorwurf der Tiergartenschützer – ist der jährlich zunehmend zerstörerische Charakter der Love Parade: Schäden am Tiergarten mit ca. 350.000 Mark pro Jahr (von 1996 bis 2000 insgesamt 1,4 Millionen), Vernichtung von ca. fünf Hektar Grünfläche, Riesenberge Müll, die sich aus den Anlagen nicht ohne zusätzliche Schädigung entfernen lassen, totale Verunreinigung durch Kot und Urin, die den Besuch des Parks für die umliegenden Kindergärten für etwa eine Woche nach dem "Ereignis" unmöglich machen, und die Kriminalität am Rande der Love Parade, die durch die "offenen Fluchtwege" des Geländes begünstigt wird. Ganz und gar unverständlich aber ist die Haltung der Stadtverwaltung Berlins. Sie überläßt in unverantwortlicher Weise den schönsten und stadtklimatisch bedeutsamsten Innenstadtpark der Love Parade als Spielwiese, obwohl sie weiß, daß Schloßpark Bellevue, das Hansaviertel und der Große Tiergarten seit 1995 unter Denkmalschutz und unter dem Schutz des Grünanlagengesetzes stehen. Es gibt andere Strecken in der großen Stadt Berlin, auf denen die Love Parade weniger schädlich stattfinden könnte und auf denen nicht derart eklatant gegen diese Gesetze verstoßen würde.

 

Hans-Heiner Steffenhagen ist Sprecher der Initiative "Rettet den Tiergarten", die die Durchführung auf der alten Strecke blockiert.

 

 

Da ist sie wieder, die typische Berliner Kleingartenmentalität! Ob Großflughafen oder Love Parade – offensichtlich hat der heilige St. Florian seine Jahresurlaube in Berlin verbracht, anders sind die Beteuerungen "Love Parade ja, aber doch nicht bei mir" nicht mehr zu begreifen.Die Love Parade ist ein Symbol für das junge Berlin, und viel mehr noch, sie hat unsere Stadt in der ganzen Welt sympathisch gemacht.

Welche europäische Hauptstadt zieht mehr junge Leute im Sommer an? Selbst die konservative Herald Tribune hat Berlin zur Stadt des Jahres 2001 gekürt und dabei besonders auf die Love Parade hingewiesen. Stimmt es nicht nachdenklich, daß sich spontan zahlreiche Städte als Alternativ- Orte gemeldet haben?

Und die Idee, die Parade auf dem Flughafen Tempelhof einzupferchen, ist schon bedrückend.

Die Love Parade hat unserer Stadt ein neues, junges Gesicht verliehen, und nicht die Gänseblümchen im Tiergarten. Man kann sich bei kopfschüttelnden Nicht-Berlinern nur entschuldigen für diese Piefigkeit. Es ist nicht nur der vielzitierte Wirtschaftsfaktor, es gibt auch positive Privatinitiativen der Wirtschaft, die helfen wollen und können.

Vor zwei Jahren hat die Arbeitsgemeinschaft selbständiger Unternehmer ( ASU ) die gesamte Bepflanzung an der "Goldelse" unterstützt und selbst neu gepflanzt – die Bereitschaft zur Unterstützung in der Stadt ist ja vorhanden. Sie zu wecken, um den wirtschaftlichen Schub für Berlin zu unterstützen, wäre doch viel wichtiger, als zu jammern, zu klagen oder eine völlig überflüssige Gegendemonstration zu organisieren, die mit Sicherheit im Chaos enden wird. Die Love Parade gehört nach Berlin – in den Tiergarten, ohne Wenn und Aber !

 

Günter Jucho ist Regionalvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft selbständiger Unternehmer, Mitglied des Bundesvorstandes.


 
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