© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    18/01 27. April 2001

 
"Kein klassisches Einwanderungsland"
Einwanderung: CSU legt Thesenpapier zur Zuwanderungs- und Asylpolitik vor / Annäherung an Regierungspositionen / Kritik von rechts
Thorsten Thaler

In die Debatte um das Asylrecht und die Einwanderung von Ausländern kommt Bewegung. Nachdem der CSU-Parteivorstand am Montag dieser Woche in Bayreuth ein Thesenpapier zur Zuwanderungspolitik beschlossen hat, will auch die CDU-Kommission zur Zuwanderung unter der Leitung des saarländischen Ministerpräsidenten Peter Müller am kommenden Wochenende ihre Beratungen abschließen. Auf einer Sondersitzung am 3. Mai wird sich dann der CDU-Bundesvorstand mit dem von der Kommission erarbeiteten Konzept befassen. Eine Woche später wollen die Vorsitzenden der beiden Unionsparteien, Angela Merker und Edmund Stoiber, ihre gemeinsame Linie dann der Öffentlichkeit vorstellen. Nach Ansicht von CSU-Generalsekretär Thomas Goppel kann es dabei "in manchen Nuancen Interpretationsunterschiede geben". Diese Nuancen seien aber kein Problem, so Goppel.

 Die CSU ist die erste Bundestagspartei, die ein Papier zur Neuregelung der Zuwanderung und Asylpolitik vorgelegt hat. Erst Anfang Juli will die von der rot-grünen Bundesregierung eingesetzte Kommission unter Leitung der CDU-Politikerin Rita Süssmuth ihr Konzept vorlegen. Die Chancen, daß sich die Regierungsparteien SPD und Grüne mit der Opposition auf eine gemeinsame Linie verständigen, stuft der Vizechef der Unionsfraktion im Bundestag, Wolfgang Bosbach, zur Zeit als gering ein. Die Koalition müsse sich jetzt entscheiden, ob sie die grüne Position zu ihrer Politik erklärt, sagte er der Tageszeitung Die Welt. Bosbach warf den Grünen vor, nur den Zuzug nach Deutschland anders organisieren zu wollen. Damit bleibe es bei langwierigen Verfahren und Schwierigkeiten, den Asylmißbrauch zu bekämpfen. Zudem bleibe es bei den Schwierigkeiten mit der Abschiebung von Ausländern. "Wenn das auch die Position der SPD ist, dann kann ich mir einen Konsens nicht vorstellen", sagte Bosbach.

In ihrem neun Thesen umfassenden Papier zur Zuwanderungspolitik besteht die CSU-Führung darauf, daß Deutschland kein "klassisches Einwanderungsland" sei und es aufgrund seiner historischen, geographischen und gesellschaftlichen Gegebenheiten auch nicht werden könne. Die hohe Zuwanderung von Ausländern, vor allem aus fremden Kulturkreisen und ohne hinreichende Sprachkenntnisse, stelle Staat und Gesellschaft vor erhebliche Probleme, heißt es in dem Beschluß. Gerade in den Großstädten werden sich die damit zusammenhängenden Probleme durch die Abnahme der einheimischen Bevölkerung noch weiter verstärken. Bei einer hohen Zahl von Zuwanderern befürchtet die CSU für einige westdeutsche Großstädte einen überproportionalen Anstieg des Ausländeranteils, besonders in jüngeren Altersgruppen. Dies werde sich vor allem in Kindergärten, Schulen und bei der Berufsausbildung bemerkbar machen.

An anderer Stelle heißt es in dem Papier wörtlich: "Wenn wir die Identität unseres Landes bewahren und die Integrationschancen der rechtmäßig bei uns lebenden Ausländer sichern wollen, ist eine Begrenzung der Zuwanderung aus Nicht-EU-Staaten weiterhin unabdingbar. Angesichts des Zuwanderungsdrucks aus weniger entwickelten Regionen nach Europa müssen Zuwanderungssteuerung und Zuwanderungsbegrenzung Leitlinien der Politik bleiben."

Zum Asylrecht stellt die CSU zwar fest, daß nach wie vor weniger als 15 Prozent der Asylbewerber anerkannt werden oder vorübergehenden Abschiebungsschutz erhalten. Trotzdem rückt sie in ihrem Thesenpapaier von ihrer bisherigen Forderung ab, den Asylartikel 16 im Grundgesetz sofort zu ändern. Statt dessen will sie zunächst alle "einfachen gesetzlichen Möglichkeiten" nutzen, um den Asylmißbrauch einzuschränken. "Erst wenn das alles nicht wirkt, muß in einer zweiten Stufe das von der Verfassung garantierte Individualrecht auf Asyl abgeschafft werden", erklärte CSU-Generalsekretär Thomas Goppel gegenüber der Presse. In dem Thesenpapier heißt es zur Asylpolitik: "Eine konsequente Rückführung der nicht zuwanderungs- und bleibeberechtigten Flüchtlinge ist für eine wirksame Zuwanderungssteuerung und -begrenzung unabdingbar. Unbegründete Asylbegehren dürfen nicht zu einem dauerhaften Aufenthalt im Bundesgebiet führen." Deutschland könne nicht für alle potentiellen Flüchtlinge in der Welt zur Anlaufstelle werden, so Goppel. Die CSU strebt eine europäische Harmonisierung des Asylrechts an, die zu einer "gleichmäßigen Lastenverteilung" auf alle Mitgliedstaaten führt.

Kritik an dieser Position kam von den rechtskonservativen Republikanern. Es sei kaum zu erwarten, erklärte der Parteivorsitzende Rolf Schlierer, daß die CSU eine Grundgesetzänderung in Sachen Asyl auf dem Umweg über eine europäische Regelung durchsetzen werde, wenn sie nicht einmal in der Lage sei, gegenüber der Schwesterpartei auf der Abschaffung des Asyl-Grundrechtsanspruchs zu bestehen. "Stoiber und seine Mannen sind vor der immer weiter nach links driftenden CDU in die Knie gegangen", kritisierte Schlierer.

Zur Bevölkerungsentwicklung weist die CSU darauf hin, daß Deutschland aufgrund des seit Jahrzehnten anhaltenden Geburtendefizits vor einem "dramatischen Einbruch" steht. Probleme für die wirtschaftliche Entwicklung und den Sozialstaat bereiteten sowohl der zahlenmäßige Rückgang der einheimischen Bevölkerung wie auch die zunehmende Überalterung der Gesellschaft. Von der demographischen Schrumpfung besonders betroffen sei der erwerbsfähige Teil der Bevölkerung. Die CSU schlägt verschiedene Maßnahmen vor, um dieser Bevölkerungsentwicklung entgegenzuwirken. Dazu gehören neben einer bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie, höheren familienpolitischen Leistungen, längeren Lebensarbeitszeiten, einer Stärkung der Bildungssysteme und der Verbesserung von Investitionsbedingungen auch eine nach wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischen Erfordernissen gesteuerte, kontrollierte Zuwanderung ausländischer Arbeitskräfte. Deutschland sei in dem Umfang auf Zuwanderung angewiesen, wie Fachkräfte in der Wirtschaft benötigt werden, erklärte CSU-Generalsekretär Goppel. "Es wäre aber ein Irrglaube anzunehmen, daß wir unsere demographischen Probleme mit Zuwanderung lösen könnten."

Dem CSU-Konzept zufolge soll die Bundesregierung aufgrund der wirtschaftlichen und sozialpolitischen Notwendigkeiten jährlich eine Quote für ausländische Arbeitskräfte festlegen. Dabei soll die Zahl der Asylbewerber berücksichtigt werden. Nach Angaben des bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Chefs Stoiber wird die Zahl ausländischer Arbeitskräfte so höher sein als die der bisherigen Green-Card-Inhaber. Für eine Quotierung der Zuwanderung in ganz Europa mit Obergrenzen sprach sich CSU-Generalsekretär Goppel aus. In Deutschland dürfe es keine unterschiedliche Festlegung im Vergleich zu anderen europäischen Ländern geben, sagte er im ARD-Morgenmagazin.

Für Bundesinnenminister Otto Schily enthält das CSU-Papier keine neuen Überlegungen. "Es ist aber als Diskus-sionsgrundlage in Richtung eines parteiübergreifenden Konsenses durchaus geeignet", sagte der SPD-Politiker.


 
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