© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    18/01 27. April 2001

 
Zeitschriftenkritik: Top aktuell
Didaktisch dialektisch
Werner Olles

Viermal jährlich hat der Referendar im Schuldienst das Vergnügen, mit Hilfe der Zeitschrift Top aktuell seinen Schülern "durchgängig problem- und handlungsorientiert, kompakt, klar strukturiert und schülernah" das Neueste aus Politik und Sozialkunde nahezubringen. Die "prüfungsrelevanten Inhalte" der "Politischen Themen für den Unterricht" – so lautet der Untertitel der Zeitschrift – sollen zur "Entwicklung von Handlungs- und Methodenkompetenz" führen und "Handlungsimpulse" geben. Und der Abend ist gerettet!

Die Themen sind in der Tat aktuell: "Rechtsextremismus und NPD-Verbot", "Parteien – was ist rechts, was ist links?", "Chancen und Gefahren der Pressefreiheit", "Berlin – die neue Hauptstadt" oder "Wieder im Gespräch: Volksabstimmung auf Bundesebene". Nimmt man dazu noch die Rede von Bundespräsident Johannes Rau am 9. November 2000 vor dem Brandenburger Tor bei der Veranstaltung "Wir stehen auf für Menschlichkeit und Toleranz", wird einem schnell klar, welcher Geist hinter Top aktuell steht: die BRD als totale Weltanschauung.

Wenn sich aber nun der politisch gebildete ABC-Schütze in einen kritischen Dialog mit seinem Bundespräsidenten begibt, dann verschlingen sich zwar Blauäugigkeit und politische Korrektheit mit der Kraft zweier Herzen, und der mündige Staatsbürger in Sozialkundelehreruniform darf auch mal wieder seine sensiblen Potentiale einbringen, aber schlußendlich siegt dann doch das lifegestylte Erkenntnisinteresse im Dienste eines fundamental stabilen deutschen Kernseifensubjektivismus. Da aber die meisten Politiker und Referendare sich nie für einen seriösen Beruf entscheiden konnten, im Umgang mit linksliberalen Sprechblasen jedoch durchaus geübt sind und schon aus Imagegründen Politik- und Autoritätssimulation zu betreiben haben, wird die Redaktion von Top aktuell noch lange in die Tasten hauen müssen, um die lebensgefährliche Aufmüpfigkeit im Gefolge des "Aufstandes der Anständigen" auch weiter didaktisch und dialektisch am Kochen zu halten.

Nun mögen im Kampf gegen Rechtsextremismus vielen viele Mittel recht sein, ob es aber oberste Spießbürgerpflicht ist, den "Kids" mit von regelrecht panischem Sendungsbewußtsein durchdrungenen Diagrammen auf die Nerven zu gehen, ist doch mehr als fraglich. Und warum sollten die geplagten Schüler eigentlich unbedingt den von Johannes Rau beschriebenen "Unterschied zwischen Patriotismus und Nationalismus", den es vermutlich nur in seiner und der Phantasie der Top aktuell-Redakteure gibt, nachempfinden? Oder sich "praktische Beispiele überlegen, wie das friedliche Zusammenleben von Menschen verschiedener Herkunft verbessert werden kann". Wo man doch wohl mit Fug und Recht annehmen darf, daß sie sich lieber im Hinkelsteinwerfen üben, als diesen verblasenen Kitsch pädagogischer Trauerarbeiter zu entziffern. Werner Olles

Anschrift: Kieseler Verlag, Piechlerstr. 3, 86356 Neusäß. Abo-Preis je Heft 12,90 Mark, ohne Abo: 16,90 Mark


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen