© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    19/01 04. Mai 2001

 
PRO&CONTRA
Jugendweihe beibehalten?
Werner Riedel / Dr. Ulrich Woronowicz

Unser Verein leistet als öffentlich anerkannter Träger der freien Jugendhilfe seine Arbeit weltanschaulich und parteipolitisch unabhängig. Wir stehen politisch in der Tradition der humanistischen Bewegung, das heißt, wir treten ein für Gewaltfreiheit, Menschen und Bürgerrechte, Toleranz sowie für soziale Gerechtigkeit und führen damit eine über 150jährige Tradition fort. Als Interessenvertreter der Jugend verstehen wir uns auch als Mittler zwischen den Generationen. Wir treten aktiv ein für eine Kinder-, jugend- und familienfreundliche Gesellschaft, in der unter anderem durch chancengleiche Ausbildung und berufliche Entwicklung für alle Jugendlichen der Start in ein selbstbestimmtes Leben ermöglicht wird.

Diesen Anspruch verwirklichen wir durch die Ausrichtung von attraktiven Jugendweihefeiern. Als einmaliges, unwiederholbares Ereignis im Leben eines jungen Menschen steht die Feier der Jugendweihe allen interessierten Jugendlichen zur Teilnahme offen. Sie bietet den Teilnehmern, Eltern, nahen Verwandten und Freunden die Möglichkeit, den Tag des symbolischen Endes der Kindheit froh zu begehen und Anregungen für das weitere Leben mitzunehmen.

Unabhängig davon gestaltet unser Verein alljährlich ein offenes Angebot von Veranstaltungen zu Geschichte, Demokratie, Toleranz und Hunderten andere Themen. Um die sogenannte PDS-Nähe zu kommentieren – ich selbst bin aktives Mitglied der FDP, und bei der Auswahl unserer Festredner zur Jugendweihe ist das gesamte Parteienspektrum der Bundesrepublik Deutschland vertreten, so auch der CDU.

Die 150jährige deutsche Tradition der Jugendweihe hat schon viele Mogelpackungen überstanden und parteilicher und kirchlicher Vorgabe getrotzt. Die Jugendweihe wird es so lange geben, wie Jugendliche und Familien diese wünschen und die Jugendarbeit als Lebenshilfe auch brauchen.

 

Werner Riedel ist Präsident der Interessenvereinigung für humanistische Jugendarbeit und Jugendweihe e.V.

 

 

Vor fünfzig Jahren begann ich als Vikar mit meinem pastoralen Dienst in einem Dorf in der Prignitz. Auf unseren Pfarrkonventen wurde immer erneut die Frage erörtert, wie wir die volkskirchliche Sinnentleerung der Konfirmation überwinden könnten. Ursprünglich war sie der Abschluß der christlichen Erziehung. Sie stand am Ende eines zweijährigen Konfirmandenunterrichts, aber sie hatte sich weithin in ein Familienfest verwandelt, auf dem den Konfirmanden die Geschenke und den Eltern das Wiedersehen mit den Verwandten das wichtigste waren.

Wir gingen davon aus, daß niemand z.B. die zehn Gebote würde beachten können, wenn er sie nicht auswendig lernt. Darum verschärften wir die Konfirmandenprüfungen und stellten Mindestanforderungen für die Teilnahme an der Konfirmation auf. 1958 begann der Generalangriff gegen unsere Jugendarbeit, die Konfirmation. Die Jugendweihe sollte sie ersetzen, und dort sollten sozialistische Überzeugungen, die bereits in der Schule zum Überdruß der Schüler traktiert wurden, nun noch einen feierlichen Abschluß erhalten. Es kam zu einer Art Konkurrenzkampf in Sachen Feierlichkeit zwischen Kirche und Jugendweiheträgern. Durch diesen Kampf aber infizierten sich unsere Gegner mit eben jener Krankheit, die wir zu überwinden versucht hatten, mit dem Ersatz von Inhalten durch Feierlichkeiten. Ich bin erstaunt, daß das "Maiglöckchen-Fest" diese Denaturierung fortsetzt, denn mit vier Vorbereitungstagen, auf denen über "Menschenrechte und Demokratie" gesprochen werden soll, kann man keine nachhaltigen moralischen Prägungen erreichen.

So bleibt man auf allen Seiten in der Oberflächlichkeit der Spaßgesellschaft. Offensichtlich scheint die Meinung vorzuherrschen, daß gutes Verhalten naturwüchsig ist. Das aber ist ein Irrtum, den wir alle, zunehmend mehr, teuer bezahlen werden.

 

Dr. Ulrich Woronowicz, Superintendent im Ruhestand, ist Vorsitzender des Christlich Konservativen Deutschland Forums (CKDF).


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen