© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 20/01 11. Mai 2001 |
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Eigenständige Politik von Ronald Gläser Der neue Anspruch, mit dem die Liberalen die deutsche Politik (mit) bestimmen wollen, wird sich weniger an einem (aussichtslosen) Kanzlerkandidaten oder an der magischen Zahl 18 messen lassen. Der neue Parteichef Westerwelle will die FDP zu einer Partei für das ganze Volk machen. Er will eigenständige Politik jenseits des "Lagerdenkens der achtziger Jahre" formulieren. Eigenständige Politik hieße aber, auch die Themen zu artikulieren, die von den anderen Parteien bewußt tabuisiert werden. Gemeint ist nicht der "schlanke Staat" oder eine weitere Steuerreform. Diese Politikansätze haben längst alle Parteien inklusive der SED-Nachfolger verinnerlicht. Eine eigenständige Politik aus Sicht der FDP müßte bei einer grundlegenden Reform der EU ansetzen. Trotz aller "staatskritischen" Rhetorik wird seitens der Liberalen die ständig wachsende europäische Bürokratie nicht im mindesten angetastet. Daß Brüssel längst ein Synonym für Verschwendung von Steuergeldern und undurchsichtige Vorschriften geworden ist, geht in der allgemeinen EUphorie unter. Das andere liberale Kernthema, die Modernisierung des Sozialstaats, ist nicht zu trennen vom linksliberalen Lieblingsthema Einwanderung. Wenn die Partei nicht begreifen will, daß die Zuwanderung und die leeren Kassen im Sozialsystem in einem Kausalzusammenhang stehen, ist sie politikunfähig. Guido Westerwelle hat das Potential, diese Themen aufzugreifen. Er hat angekündigt "volksnah" aufzutreten und die FDP als Partei für das "ganze Volk" auszurichten. Aber nur wenn er auch einen eigenständigen Weg zu gehen bereit ist, kann ihm das gelingen. |