© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    20/01 11. Mai 2001

 
Düsseldorfer Paranoia
Dokumentation: NRW-Innenministerium setzt konservative Journalisten unter Druck und berichtet auch in seinem neuen Verfassungsschutzbericht über die JF
H.-P. Rissmann

Im April hat das Düsseldorfer Innenministerium seinen Jahresbericht 2000 des Verfassungsschutzes vorgestellt. NRW legt schon wie in den Jahren zuvor seine rechtlichen Befugnisse und Kompetenzen weiträumiger aus als andere Landesämter. So wird die JUNGE FREIHEIT exklusiv seit dem im Frühjahr 1995 vorgestellten Bericht für das Jahr 1994 ausführlich auf mehreren Seiten erwähnt. Die JUNGE FREIHEIT hat daraufhin nach längerer Prüfung am 9. August 1996 Klage vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf gegen das Innenministerium erhoben. Dem Innenministerium sollte untersagt werden, die JF als "rechtsextremistisch" zu bezeichnen oder unter "Rechtsextremismus" einzuordnen, entsprechende Einordnungen seien zu widerrufen, und dem Innenminister sollte untersagt werden, die JF mit nachrichtendienstlichen Mitteln zu beobachten.

Das Verwaltungsgericht Düsseldorf fällte am 14. Februar 1997 eine erste Entscheidung gegen die JUNGE FREIHEIT, die dem Innenministerium zunächst recht gab. Zuvor hatte der Innenminister einräumen müssen, daß die JF keineswegs als "rechtsextremistisch" eingeordnet werde, daß lediglich "Anhaltspunkte für den Verdacht" vorgebracht würden – ein juristisch entscheidender Unterschied. Ferner bekräfigte NRW, die JF nicht mit nachrichtendienstlichen Mitteln zu beobachten.

Manfred Brunner, Prozeßbevollmächtigter der JF in diesem Rechtsstreit, legte sofort einen Antrag auf Berufung ein, der nun seit mittlerweile vier Jahren beim Oberverwaltungsgericht Münster anhängig ist. Damit ist das Urteil des Düsseldorfer Gerichtes nicht rechtskräftig.

Der Chefredakteur der JF, Dieter Stein, weist alle neuerlichen Vorwürfe aus NRW als "haltlos" zurück und bekräftigt, die JUNGE FREIHEIT werde nicht nachlassen, gegen diesen Grundrechtseingriff anzukämpfen. Nachfolgend zitieren wir auszugsweise aus dem aktuellen haarsträubenden Bericht der nordrhein-westfälischen Behörde:

"Ideologische Ausrichtung und Strategie: Die Wochenzeitung »JUNGE FREIHEIT« (JF) ist der »Neuen Rechten« zuzurechnen, einer um Intellektualisierung bemühten geistigen Strömung innerhalb des Rechtsextremismus. Die »Neue Rechte« vertritt, in Anklängen an die »Konservative Revolution« aus der Zeit der Weimarer Republik und an die in Frankreich nach den Präsidentschaftswahlen 1965 entstandene »Nouvelle Droite«, mit unterschiedlichen Akzentuierungen insbesondere antiliberale, antidemokratische, revisionistische und nationalistische Ideen. (...)

Die JF verfolgt – wie auch andere Publikationen der »Neuen Rechten« – die von dem italienischen Marxisten Antonio Gramsci formulierte Strategie, wonach zunächst die Eroberung der kulturellen Hegemonie als Voraussetzung für die spätere Erringung der politischen Macht anzustreben ist. Zum strategischen Konzept der kulturellen Hegemonisierung gehört, daß die eigentlichen politischen Ziele nicht immer von vornherein offen genannt und verfolgt werden, sondern daß rechtsextremistisches Gedankengut möglichst verschleiert transportiert wird. Als Deckmantel nutzt die JF verstärkt die Bereitschaft von Persönlichkeiten des demokratischen Spektrums zu Interviews und einzelnen Textbeiträgen.

Den Zusammenhang zwischen politischer Zielsetzung und kultureller Basis betont die JF bereits in ihrem Untertitel: »Wochenzeitung für Politik und Kultur«. Bezeichnend ist der umfangreiche Kulturteil der JF, in dem verschiedene Elemente aus den Kultursparten der Musik, des Films und der Literatur geschickt aufgenommen und kommentiert werden.

Bei der Berichterstattung der JF über tagespolitische Aktualitäten, die überwiegend in der Form des Kommentarjournalismus mit bestimmter politischer Botschaft behandelt werden, liegt ein deutlicher inhaltlicher Schwerpunkt in der Deutschlandpolitik. Begriffe wie »Nationalstaat«, »Überfremdung« oder »Multikulturelle Gesellschaft« werden im Zusammenhang mit Themen der allgemeinen politischen Diskussion (z.B. »Leitkultur«, »Green-Card«, »Zuwanderung«) so eingebracht, daß sich auch Rechtsextremisten der unterschiedlichsten Schattierungen mit ihrem jeweiligen rechtsextremistischen Gedankengut wiederfinden. (...)

 

»Entwicklung des »Projektes 'JUNGE FREIHEIT'«: Die wirtschaftliche Situation der JF scheint sich im Jahr 2000 weiter stabilisiert zu haben. (...)

 

Gründung des »Instituts für Staatspolitik«: Aus dem engeren Umfeld der JF heraus wurde Mitte 2000 das »Institut für Staatspolitik« gegründet, das inzwischen mehrere Veranstaltungen durchgeführt hat. Zwei der drei Gründer sind langjährige Stammautoren der JF. Eine »in Kooperation mit der JUNGEN FREIHEIT« veranstaltete Podiumsdiskussion (»1. Berliner Kolleg«) moderierte der JF-Chefredakteur. (...)

 

»Große Abo-Kampagne 2000«: Zur Jahreswende 1999/2000 startete JF-Chefredakteur Stein (»Die JF muß jetzt noch viel stärker werden«) eine aufwendige Abonnenten-Werbeaktion. (...)

 

Postkartenaktion der JF gegen das Innenministerium NRW: Im Juli 2000 forderte die JF ihre Abonnenten und Spender zu einer Protestaktion (»Aufruf zum massenhaften Protest« mit beigefügtem Postkartenvordruck) gegen das nordrhein-westfälische Innenministerium auf. In einem Begleitschreiben eines ehemaligen Generalbundesanwalts wurde der letzte NRW-Verfassungsschutzbericht über die JF in einer sinnentstellenden Darstellung als »Manipulation« bewertet. Es gelte, die JF »im Kampf um die Meinungs- und Pressefreiheit« gegen die »kleinen Metternichs aus NRW« zu verteidigen. Damit sollte der irreführende Eindruck vermittelt werden, daß durch die Maßnahmen des Verfassungsschutzes in Nordrhein-Westfalen das Grundrecht der Meinungs- und Pressefreiheit verletzt werde. Dieser Vorwurf ist allerdings in der Sache substanzlos. (...)

 

Weitere Protestaufrufe: In weiteren Briefen vom Oktober bzw. November 2000 beklagte JF-Chefredakteur Stein Aktionen anderer Zeitungsverlage und Medien, die sich im Rahmen der Initiative »Netz gegen Rechts« u.a. gegen rechtsextremistische Publikationen gerichtet hatten, und forderte die JF-Leserschaft zum Protest auf. (...)

Rechtsextremistische Diktion bei JF-Unterstützern: Eine der von der JF initiierten Protestaktionen richtete sich u.a. gegen den Herausgeber der Zeitung »Die Woche«. Einem Bericht der »Woche« (Ausgabe v. 19. Januar 2001) zufolge fanden sich unter den Zuschriften einige aufschlußreiche Äußerungen von JF-Unterstützern. (...) Die Wortwahl der Protestbriefe sei durchgehend identisch gewesen: »geistige Blockwarte«, »linke Verbrecher«, »gleichgeschaltete Presse«.

 

Anklänge an ein rassistisches Weltbild – Ziel: »ethnische Homogenität«: Unter der Überschrift »Was ist deutsch?« bezeichnete anläßlich der »Leitkultur«-Debatte ein JF-Stammautor im »Aufmacher«-Artikel der Ausgabe 44/00 den Begriff »multikulturelle Gesellschaft« als »Euphemismus« (Anm.: lt. Duden »beschönigende Umschreibung für ein anstößiges Wort«), »... weil der Begriff 'multikulturelle Gesellschaft' den hochaufgeladenen Begriff 'Rasse' durch den weniger verfänglichen Begriff 'Kultur' ersetzt.« (...) Die langjährige und andauernde Agitation der JF gegen die multikulturelle Gesellschaft offenbart auch in diesem Artikel die Vorstellung, daß eine »ethnisch homogene« Bevölkerung als Ideal gesehen wird bzw. anzustreben sei.

 

Antisemitismus – Die JF zur Zwangsarbeiterentschädigung: (...) Chefredakteur Stein sieht in der Unterzeichnung des Abkommens über die Entschädigungszahlungen indes »die willkommene Einladung an clevere Anwälte, Deutschland noch viele, viele Male zu melken«. Die Entschädigung »deutscher Zwangsarbeiter, die von Westalliierten oder der Sowjetunion, Tschechoslowakei und Polen versklavt wurden«, stehe dagegen aus (JF-Ausgabe 30/00).

 

Verharmlosung der NS-Verbrechen und Solidarität mit rechtsextremistischen Straftätern: Die in der JF bereits seit Jahren insbesondere in der »Pankraz«-Kolumne festgestellten Solidaritätserklärungen mit wegen Volksverhetzung und Holocaust-Leugnung verurteilten Rechtsextremisten setzten sich auch im Jahr 2000 fort. In der Ausgabe 9/00 schrieb der Kolumnist, ein ständiger Mitarbeiter der JF, unter der Überschrift »Zivilreligionen und die Abschaffung der Politik«, der Holocaust sei an die Stelle Gottes getreten. Über »das hohe C« im Namen von Parteien dürfe man spotten, an den Holocaust müsse man aber glauben; »wer Zweifel erkennen läßt, verschwindet hinter Gittern«. (...)

 

Der Vorwurf der »Umerziehung« – Verunglimpfung des demokratischen Rechtsstaates: Zur politischen Lage der »konservativen, rechten Gruppen« bemerkte ein JF-Stammautor in Ausgabe 21/00, es walte dort »ein merkwürdiges Mißverständnis«, nämlich »der Glaube an die politische Mobilisierbarkeit eines erfolgreich umerzogenen Volkes, dem jede Identität ausgetrieben wurde«. (...)

 

Sympathie für »Die Republikaner« und andere Rechtsextremisten: Auch im Jahr 2000 ließ die JF ihre grundsätzliche Sympathie für andere Organisationen des rechtsextremistischen Spektrums erkennen, indem sie u.a. wohlwollend die – bisher erfolglosen – Fusionsbemühungen verschiedener Parteien aus dem rechten Lager begleitete und in Ausgabe 48/00 die Wiederwahl des REP-Vorsitzenden Schlierer ebenso wie den REP-Parteitag insgesamt (»Auf den Spuren der FPÖ«) würdigte. (...)

 

Kontakte zur NPD: Der ständige JF-Mitarbeiter Alain de Benoist, einer der Vordenker der französischen »Nouvelle Droite«, gab dem NPD-Parteiorgan »Deutsche Stimme« (Ausgabe 5/00) ein seitenfüllendes Interview. (...) In der JF-Ausgabe 31-32/00 erhielt der Vorsitzende der rheinland-pfälzischen »Jungen Nationaldemokraten«, langjähriger führender Aktivist der rechtsextremistischen Skinhead-Szene, in einem von JF-Chefredakteur Stein mit wohlwollender Oberflächlichkeit geführten Interview Gelegenheit zu dem Versuch, die Mitverantwortung der NPD und ihrer Jugendorganisation für rechtsextremistische Gewalttaten zu verschleiern. In Ausgabe 47/00 schließlich wurde dem Sprecher der »Revolutionären Plattform« der NPD, früherer NPD-Landesvorsitzender in Sachsen-Anhalt und ehemaliges Mitglied des Bundesvorstandes der NPD, ebenfalls mit einem ganzseitigen Interview ein Forum geboten, u.a. rassistisch motivierte Gewalttaten zu verharmlosen.

 

Werbung für rechtsextremistische Publikationen: In Prospekten des JF-Buchdienstes werden zahlreiche Buchveröffentlichungen von Rechtsextremisten angeboten, u.a. Titel des verurteilten Holocaust-Leugners David Irving. (...) Die rechtsextremistische »Deutsch-Europäische Studiengesellschaft« (DESG, siehe Ziffer 2.5.9) schaltete auch im Jahr 2000 regelmäßig Anzeigen in der JF und bot kostenlose Exemplare ihres Mitteilungsblatts »DESG-inform« an."

 

Informationen: Innenminister Fritz Behrens, Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen, Abteilung Verfassungsschutz, Haroldstraße 5, 40213 Düsseldorf, Internet: www.verfassungsschutz.nrw.de  


 
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