© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    21/01 18. Mai 2001

 
CD: Pop
Frank und frei
Holger Stürenburg

Vor zwei Jahren kehrte Nik Kershaw, der einstige Star des intelligenten Synthipop, nach zehnjähriger Abwesenheit in die Popszene zurück. "15 Minutes" hieß sein Album, das jedoch nahezu ungehört verhallte, klang es doch mächtig unausgeglichen, deprimiert und lustlos. Auf seiner Tournee im Frühjahr 1999 jubelten seine noch immer zahlreich vorhandenen Freunde auch nur bei seinen alten Krachern wie "The Riddle", "I won‘t let Sun go down on me" oder "Wouldn‘t it be good".

Jetzt hat sich Nik Kershaw endlich freigeschwommen: "To be Frank", so der Titel seines am 28. Mai bei Eagle Records/EDEL erscheinenden neuen Albums, ist ein freudiges, interessantes, ironisches Spätwerk geworden. Keine Depression mehr, statt dessen Schwung und Schmiß in fast allen der elf neuen Songs. Nik Kershaw selbst sagt, daß "To be Frank" mehr "Sinn für Humor" habe als seine früheren Werke, "auch wenn man den Humor nicht sofort erkennt". Tatsächlich schwingt auch bei auf den ersten Blick trüben Songs wie "Die Laughing" oder "How sad" immer ein gewisser selbstironischer, satirischer Unterton mit. "We‘re wounded, but walking" – "Wir sind zwar verwundet, aber wir können noch gehen!" singt Kershaw zu tanzbaren, aufreizend fröhlichen Latino-Rhythmen – oft nutzt er auf "To be Frank" für Text und Musik eines Liedes jeweils unterschiedliche Stimmungen, was die sich durch das gesamte Album ziehende ironische Note zusätzlich verstärkt. Mit Kershaws einstigen Synthioden hat "To be Frank" nichts mehr zu tun. Es ist Popmusik im besten Sinne des Wortes, mal gitarrenorientiert, rockig ("Jane Dee"), mal folklastig, akustisch ("Get up", "All is fair"). Weder blickt Kershaw stilistisch auf die für ihn so erfolgreichen achtziger Jahre zurück, noch paßt er sich dem Dancefloor-Zeitgeist an. Er hat es auf seine alten Tage geschafft, ein Album aufzunehmen, das erkennen läßt, daß Kershaw vielleicht erst jetzt seine wahre Identität im schnellebigen Musikgeschäft gefunden hat.

Früher, zu Zeiten seiner herausragenden Alben "Human Racing" und "The Riddle", war er zumeist in die Teeniepopecke gedrängt worden. Seine Konzerte 1984/85 wurden fast nur von jungen Mädchen besucht, die seine Texte nicht verstanden. "Wouldn‘t it be good" zum Beispiel ist nicht – wie häufig angenommen – ein romantisches Liebeslied, sondern eine politische Äußerung zum sich Mitte der Achtziger anbahnenden Auseinanderleben von Arm und Reich im Großbritannien Margaret Thatchers. Doch dies störte die Popfans jener Tage nicht. Kershaw hingegen wollte vor allem als Liederschreiber ernst genommen werden; seine Vermarktung im Mainstreambereich mißfiel ihm zunehmend. So setzte er seinem Debütalbum "Human Racing" schon ein halbes Jahr später seinen Zweitling "The Riddle" hinterher; diesmal avantgardistischere Klänge – doch Kershaw blieb Gefangener des Popzeitgeistes. Ende 1986 folgte dann "Radio Musicola", sehr amerikanisch, sehr rockorientiert – mit "Nobody knows" ein kleiner Top-40-Hit, und schon war Nik Kershaw vergessen. Von seinem Album "The Works" nahm niemand mehr Notiz. Dann zog sich Kershaw zurück, schrieb den ein oder anderen Titel für Elton John und Cliff Richard oder Boybands wie Let Loose und Boyzone, bis er mit "15 Minutes" sein Comeback versuchte.

Mit "To be Frank" dürfte ihm dies nun auch voll und ganz gelingen. "Gebe Deinen Eigenschaften doch einfach Namen!" riet ihm einst ein Psychologe. So wurde "Frank" zu Niks Alter Ego. Und "Frank" hat Nik Kershaw schlußendlich dorthin gebracht, wo er am besten aufgehoben ist: beim Komponieren, Texten und Arrangieren intelligenter, aussagekräftiger Popsongs. Schon jetzt kann man "To be Frank" als eines der besten Popalben dieses Jahres bezeichnen. 


 
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