© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    21/01 18. Mai 2001

 
Meldungen

Gustav II. Adolf als protestantischer Held

POTSDAM. Vergangenheit, so zitiert der Potsdamer Historiker Bernhard R. Kroener seinen englischen Kollegen Eric Hobsbawn, sei historisch kostümierte Zeitgeschichte. Jeder Historiker interpretiere den Geschichtsverlauf aus der Zeitgebundenheit des eigenen Standorts. Die Fragen, die wir an die Geschichte richten, seien Fragen, mit deren Antworten wir die Gegenwart meistern zu hoffen. Wie sich unter dieser Prämisse die Sicht auf den 1632 gefallenen schwedischen König Gustav II. Adolf in den Prozeß der deutschen nationalen Identitätsbildung vom 18. bis zum 20. Jahrhundert einfügt, demonstriert Kroener in einem Beitrag über den zum "protestantisch-arischen Helden" stilisierten König für die Militärgeschichtlichen Mitteilungen (Heft 1/00). Dieser Aufsatz dürfte freilich nur eine Fingerübung Kroeners gewesen sein, da von ihm demnächst ein wichtiger Beitrag zu einem ungleich folgenreicheren Königsmythos zu erwarten ist. Angekündigt ist eine Monographie mit dem verheißungsvollen Titel: "’Nun danket alle Gott‘ – Der Choral von Leuthen und Friedrich der Große als protestantischer Held".

 

US-Historiker über Brünn und Aussig 1945

BOSTON. Das beste an dem Aufsatz des in Princeton lehrenden Historikers Eagle Glassheim über die Vertreibung der Deutschen aus dem wiederentstandenen Staat der Tschechen und Slowaken dürfte wohl sein, daß das Thema an prominenter Stelle, in Central European History (4/00), für angelsächsische Rezipienten überhaupt behandelt wird. Immerhin widmet sich Glassheim ausführlich dem Massaker in Aussig und dem Brünner Todesmarsch. Er verschweigt auch nicht, daß die Prager Regierung gegen jede noch so grausame Äußerung des "Volkszorns" und der "Mob-Justiz" gegen unschuldige Deutsche nichts einzuwenden hatte. Wie seine deutschen Kollegen (JF 19/00) vermeidet auch Glassheim einen Blick auf das Schicksal der Sudetendeutschen zwischen 1919 und 1938. Die krisenhafte Entwicklung, die schließlich im "Protektorat" mündet, muß daher notwendig auf exklusive deutsche Verursachung verengt werden.

 

Britische Vorkämpfer der Sterbehilfe

LONDON. Von der aktuellen Diskussion über die Euthanasie und Sterbehilfe angeregt, geht der in Kanada lehrende Sozialhistoriker Ian Dowbiggin der englischen "Tradition" dieses Diskurses nach (Journal of Contemporary History, Heft 1/00). Dowbiggin beklagt, daß es über die deutsche, unter dem Namen "Euthanasie" nach 1933 vollzogene Tötung von geistig Behinderten inzwischen eine Flut von Literatur geben, sich aber noch kaum jemand mit dem breiten Zuspruch beschäftigt habe, den die Verheißung der "sozialen Indikation" mit dem Ziel einer "gesunden Gesellschaft" gerade im angelsächsischen Raum gefunden habe. Darum untersucht Dowbiggin die Euthanasie-Bewegung des Malthusianers C. Killik Millard, die zwischen 1930 und 1955 in Großbritannien auf großes öffentliches Interesse stieß. In der British Voluntary Euthanasia Legislation Society (VELS) waren George Bernhard Shaw, Virginia Woolf und H. G. Wells organisiert. Millard setzte dabei geschickt das ur-liberale Ideologem der individuellen "Selbstverantwortlichkeit" ein, konnte aber letztlich noch keinen Durchbruch für die von ihm angestrebte Legalisierung der "Sterbehilfe" erreichen.


 
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