© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    21/01 18. Mai 2001

 
Leserbriefe

Zu: "Eigenständige Politik" und "18 Prozent statt drei Punkten" von Ronald Gläser, JF 20/01

Nutzen des politischen Vakuums

Man kann den "neuen" Kurs der FDP inhaltslos finden, gut und schön. Trotzdem bleibt es jedem Interessierten unbenommen, das FDP - Parteiprogramm anzufordern. Darin finden sich mit Sicherheit für alle komplexen Fragen der Gegenwart politische Lösungsvorschläge. Westerwelle und Möllemann verfolgen lediglich eine neue Verkaufsstrategie. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Jetzt liegt es an der Parteibasis, unter dem Begriff "Freiheitliche Volkspartei" genau das zu verkaufen, wonach der politische "Markt" seit Jahren schreit. Nämlich eine wählbaren Alternative, die jenseits der alten politischen Rechts/Links- "Gesäßgeographie" anzusiedeln ist. Meines Erachtens verwendet Guido Westerwelle den Begriff "drittes Lager" ganz bewußt auch im Hinblick darauf, daß es der Partei gelingen sollte, sowohl die enttäuschten Arbeiter und kleinen Angestellten als auch den stark gebeutelten unteren Mittelstand und die Betreiber kleiner, unrentabel gewordener Familienbetriebe vom "Abenteuer Freiheit" zu überzeugen. Wenn man von der Tatsache ausgeht, daß sowohl rechts von der Union als auch (zumindest im Westen) links von der SPD ein politisches Vakuum entstanden ist, dürfte es eigentlich nicht unmöglich sein, das Ziel 18 Prozent plus X zu erreichen. Vorausgesetzt, die Partei hat auch das Personal dazu. 

Torsten R. Ilg, Köln

 

 

Zu: "Feigheit und Unterwerfung" von Dieter Stein, JF 18/01

Radikalinski Schmitt

Ihr Kommentar "Feigheit und Unterwerfung" trifft genau ins Schwarze. Es geht aber noch weiter. Die heutigen Konservativen sind zum erheblichen Teil unpolitisch. Im Prinzip will man in Ruhe gelassen werden, nur unter sich eine konservative Kultur pflegen.

Ich vergleiche mal die heutigen konservativen Zeitgenossen mit dem konservativen Politiker Otto von Bismarck und dem konservativen Theoretiker Carl Schmitt. Würden diese Gestalten überhaupt von den heutigen Konservativen akzeptiert? Ein Bismarck, der sich als "Staatssozialist" bekannte, würde wahrscheinlich auf konservativen Versammlungen ein ungebetener Gast sein. Einem Carl Schmitt, der die Bestimmung des Feindes als Wesen des Politischen beschrieb, würde in den gleichen Kreisen als Radikalinski mißtraut. Von der "konservativen Revolution" gar nicht zu reden, die vielen heutigen Konservativen noch nachträglich die Schamesröte ins Gesicht treibt.Der heutige Konservative ist kein Sozialist, er hat keinen Feind bestimmt, und ist auch nicht revolutionär. Er ist das Gegenteil der Konservativen der Vergangenheit. Er ist ein Schatten, aber kein Licht. Da ändert auch die Kerze JF nicht allzuviel. Noch Fragen?

Winfried Krauß, Frankfurt/ Main

 

 

Zu: "Arbeit auf Kommando" von Bernd-Thomas Ramb, JF 17/01

Inhumaner Jugendwahn

Mit starken Sprüchen billigster Stammtischgüte beweisen Politiker und Hofberichterstatter derzeit ihre "soziale Kompetenz" und ihren gesellschaftlichen Wirklichkeitssinn. Herr Merz (CDU) glänzt mit der dümmlich-arroganten Weisheit, es sei genug Arbeit da "für die, die arbeiten können und wollen". Das mag für jüngere (und billigere) Erwerbssuchende gelten, aber fragen Sie mal die "Älteren". Bis höchstens Mitte 30 werden sie eingestellt, ab Mitte 40 ausgemustert. Als Endvierziger gelten sie beim Arbeitsamt als schwer vermittelbar, mögen Qualifikation und Zeugnisse noch so gut sein. "Zu alt", heißt es mehr oder weniger deutlich in den Absagen der Firmen – falls diese überhaupt reagieren!

Bei Managern und Personalchefs gelten Leute über 45 als "Schrott", den man schleunigst entsorgen will. Da kommt so ein entlassener "Gruftie" leicht auf hundert Bewerbungen, bis er kapiert, daß er endgültig draußen ist. So sind dieSpielregeln im amerikanisierten BRD-Raubtier-Kapitalismus, der sich schönfärberisch "soziale Marktwirtschaft" nennt. Brutale Profitwirtschaft müßte es heißen. Dieses Monopoly-System spuckt Ältere aus, kauft Jüngere ein (Ausländer kosten weniger) oder rationalisiert den Arbeitsplatz gleich ganz weg.

Wo sind die mutigen Reformer, die dem inhumanen Jugendlichkeitswahn den Kampf ansagen? Wann ist Schluß mit der "Senioren-Selektion" in deutschen Unternehmen? Wann begreifen Personalchefs, daß "ältere" Arbeitnehmer neben wertvollen Erfahrungen meist auch mehr Kollegialität mitbringen und loyaler zu ihrem Unternehmen stehen? Solche Erkenntnisse können den lauter werdenden Ruf nach Sanktionen gegen Langzeit-Arbeitslose wohl kaum befriedigen. Man will jetzt Sündenböcke schlachten. Da kommen Totschlagworte wie "Drückeberger" und "Faulenzer" besser an. Unsere Politiker zeigen Härte bei den Schwachen und schüren einen neuen Klassenhaß. Das ist nur logisch in einer "liberalen Gesellschaft", die keine Volksgemeinschaft mehr sein will.

Herbert Rauter, Karlsruhe

 

Denkansätze nicht zerreden

Wieder einmal packen unsere großen demokratischen Parteien "heiße Eisen" an. Es geht um Asyl-und Sozialleistungsmißbrauch, Themen, die denkenden Bürgern dieses Landes unter den Nägeln brennen. Hoffentlich werden diese guten Denkansätze seitens einiger Unionspolitiker nicht wieder politisch zerredet, so wie es in der Vergangenheit immer wieder der Fall war.

Es müssen endlich Voraussetzungen geschaffen werden, um Langzeitarbeitslosen und Sozialhilfeempfängern nicht länger das Nicht-Arbeiten attraktiv zu machen, sondern sie in das Berufsleben (wieder-)einzugliedern. Ein Beispiel dafür wäre eine bessere Kita- und Hortbetreuung, denn eine Öffnung dieser Einrichtungen bis 18 Uhr und in den Ferien bis 16 Uhr ist bei Ladenschlußzeiten von 20 Uhr nicht mehr zeitgemäß.

Weniger Geld, mehr Sachleistungen, sind eine aufgreifenswerte Idee.

Wenn die Attraktivität der Sozialhilfe verringert würde, hätte das natürlich auch den positiven Effekt, daß weniger Armutsflüchtlinge einwandern und zu einem Großteil nur noch die Menschen in unser Land kämen, die unsere Hilfe wirklich benötigen und ein Anrecht darauf haben. Was nützt es denn, wenn die Bevölkerungszahl etwas langsamer schrumpft, dafür aber die Sozialkassen geleert und nicht gefüllt werden?

"Alles zum Wohle des deutschen Volkes" zu leisten, sollte nicht länger eine mißachtete Phrase sein, sondern endlich zum Leitsatz deutscher Politik werden!

Hans-Jürgen Prange, Berlin

 

 

Zu: "Ein Sieg für die Familie" von Tobias Wimbauer, JF 17/01

Glück nicht fremdfinanzieren

Wie kommt die Allgemeinheit dazu, die Freizeitgestaltung anderer zu alimentieren? Die heute Geborenen werden vielleicht nicht weniger Einkünfte an Vater Staat abführen müssen, aber für uns, die wir in zwanzig, dreißig Jahren nicht mehr arbeitsfähig sind, wird es so gut wie nichts an Rente geben können, ganz gleich wie sich die Menge der Abzüge noch entwickelt. Mit unseren Steuern und Abgaben finanzieren meine Frau und ich, beide voll erwerbstätig, augenblicklich Betreuung, Ausbildung etc. der "Jungen", mit denen wir gar nichts zu schaffen haben – zu unserem späteren Nutzen etwa?

Zahllose Mütter und Väter fallen den Steuerzahlern mit ihrem Nachwuchs zur Last und erhalten großzügige Unterstützung dafür, daß sie sich "verwirklichen". Eine Kollegin bezeichnete auf meine Frage hin unlängst als das Schöne an der Vergrößerung der häuslichen Gemeinschaft die Möglichkeit, "einem kleinen Zwerg die Locken zerraufen zu dürfen", wenn dieser sich am Morgen zu ihr ins Bett begibt. Es soll ja tatsächlich Menschen geben, die einen Lustgewinn aus der intensiven Beschäftigung mit fäkalienverzierten Ein- oder Mehrwegprodukten ziehen und pürierte Gemüsemischungen ohne Gewürze als Delikatesse ansehen; bei uns muß jeder nach seiner Facon glücklich werden. Doch eben dieses Glücklichwerden möge er oder sie gefälligst nicht fremdfinanzieren.

Es muß Schluß gemacht werden mit der beinahe räuberischen Methode, die Arbeitsfähigen und -willigen auszupressen und die erzielten Erlöse an die zu verteilen, die irgendwann ihren Beitrag zum Gemeinwohl leisten sollen. "Jedem nach seinen Bedürfnissen"? Ich ziehe den "wohlverstandenen Eigennutz" bei weitem vor. 

R. Ehrenfried, per e-mail

 

Verantwortungslose Hysterie

Was wäre so schlimm daran, wenn die deutsche Bevölkerung um einige Millionen zurückginge? Die Natur bietet genügend Beispiele dafür, wie sich Überpopulationen auf ein gesundes Maß zurückbilden können. Die Deutschen aber zum gegenwärtigen Zeitpunkt als aussterbendes Volk zu bezeichnen, ist verantwortungslos!

Hans-Ulrich Müller, Espelkamp

 

 

Zu: "Feuer, das in Lust verbrennt" von Tobias Wimbauer, JF 17/01

Platz für zeitgenössische Musik

Gegen die Rezension des "Rammstein"- Albums in der JUNGEN FREIHEIT ist nichts einzuwenden. Auch daß diese im Ergebnis positiv ausfällt, ist unproblematisch. Problematisch wäre lediglich eine unkritische Rezension.

"Rammstein" sind im Musikgeschäft so etabliert, daß ihre Behandlung keiner besonderen Rechtfertigung bedarf. Wenn die in den Liedern teilweise erzeugte Stimmung nun bei einzelnen Jugendlichen destruktive Wirkungen hervorruft, so ist das nicht den Künstlern vorzuwerfen, sondern dem sozialen Umfeld – etwa den Familien – der Betroffenen, die diese durch alltägliche Lieblosigkeit erst für unkontrollierte Extremreaktionen anfällig machen. Gerade der junge Mensch leidet unter seelischer Vernachlässigung, nicht unter der Musik, die er zu ihrer Kompensation bevorzugt. Ein seelisch stabiler Mensch kann wahrscheinlich – wie wohl die meisten "Rammstein"-Fans – an "Rammsteins" Musik auch Freude haben, anstatt in Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung zu verfallen.

Ich denke, auch zeitgenössische Künstler und Musikgruppen sollten in der JUNGEN FREIHEIT ihren Platz haben. Die deutsche Sprache kann in der Rockmusik nur begrenzte Spielräume entfalten; "Ramm-stein" haben sich das Verdienst erworben, ihre Lieder in deutscher Sprache über Mitteleuropa hinaus zu verbreiten. Sie sollten ruhig solche Bands herausstellen, die in diesem Genre erfolgreich auf deutsch wirken.

Florian Wolfrum, Per e-mail

 

 

Zur Einstellung des Verfahrens gegen Außenminister Joschka Fischer

Ungebildetes Indianergeheul

Das Verfahren gegen Herrn Joseph Martin Fischer als Symbolfigur der 68-er Generation wurde von der 68-er Justiz eingestellt. Diese Symbolfigur stellt wahrhaftig eine Quintessenz der dünnen Schicht dar, die sich zur "Sprecherin" einer ganzen Generation stilisiert hat und auch heute gewinnträchtig stilisiert: pompös-düftige Welterlösungsformeln, marktschreierische Machtgier, Verbalakrobatik, die die innere Bildungsleere überspielt.

Friedrich Sieburg schreibt über ein solches Phänomen in einer seiner literarischen Kritiken: "Das ungebildete Indianergeheul einer machtgierigen Horde, deren edelstes Organ der Ellenbogen ist, unfähig, etwas zu erben, da sie nichts kennt und erkennnt, wild entschlosssen, alles Überlieferte über Bord zu werfen, da sie über dessen Wert nie nachgedacht hat, geneigt, das von ihr plattgetretene Gelände für die Tabula rasa eines Neubeginns zu halten, von der Feigheit unseres öffentlichen Lebens sich nährend und durch die Duldsamkeit eines eingeschüchterten Banausentums ausgehalten, diese Schicht von heute ist keines Lernens und keiner Nachfolge fähig ..."

Dr. Antonin Kucera, Taunusstein

 

 

Zu: "In beängstigender Ruhe rollt der Zug vorbei" von Urs Freyburg, JF 15/01 und zur Leserreaktion

Gewaltmonopol hat der Staat

Der völlig kritiklose Bericht Urs Freyburgs über die Proteste gegen den Castortransport war schon ärgerlich genug, der Leserbrief des Herrn Kelch aber schlägt dem Faß den Boden aus. Herr Kelch hält den gewaltsamen Protest, sofern er sich "nur" gegen Sachen richtet, für legitim. Dem ist entschieden zu widersprechen. Das Gewaltmonopol hat der Staat, alle andere Gewalt ist nicht legitim, selbst wenn man von der eigenen Sache noch so sehr überzeugt ist, denn von der Richtigkeit einer Sache gibt es nun einmal in den meisten Fällen unterschiedliche Meinungen. Sonst müßten ja jeweils beide Seiten das Recht auf Gewalt haben.

Über Kernkraft kann man geteilter Meinung sein, Demonstrationen gegen die Transporte sind jedoch sinnlose Stellvertreterkriege. Der Transport selbst wird höchstens durch die Demonstranten gefährlich. Des weiteren hält Herr Kelch die Kernkraftwerke für ein Symbol der Umweltzerstörung. Das Gegenteil ist der Fall. Ein Drittel unseres Stromes wird in Kernkraftwerken erzeugt, eine Ersetzung durch andere Energieträger wäre ein Beitrag zur Umweltzerstörung, denn gerade Kernenergie ist die sauberste in Deutschland im größeren Umfang einsetzbare Energie. Nachweise einer schädigenden Wirkung auf die ein Kernkraftwerk umgebende Natur gibt es bislang nicht.

Manfred Kinet, Frankfurt

 

 

Zum Mord an Ulrike aus Eberswalde

Kinder als Freiwild

Anläßlich des Mordes eines Triebtäters an der 12jährigen Ulrike wird die Frage laut: Wann ringt sich unsere Rechtsprechung endlich trotz sonst abgeschaffter Todesstrafe bei Lustmorden an Kindern dazu durch, die bestialischen Taten mit dem Leben büßen zu lassen, um weiteren Verbrechen vorzubeugen?

Ungeachtet der Qualen der wehrlosen Opfer und des unsäglichen Leides der Eltern scheut die Justiz entgegen jeglichem Rechtsempfinden keine Mühe, für die Verbrecher, falls sie überhaupt gefaßt werden, Entschuldigungen ausfindig zu machen, um ihre Männlichkeit nicht anzutasten, bekanntlich nutzlose psychotherapeutische Behandlungen anzuwenden und trotz Verurteilung zu lebenslanger Haft durch vorzeitige Entlassungen neue Straftaten in Kauf zu nehmen, denen eine Kastrierung vorbeugen würde.

Steht denn kein Jurist auf, um die Hemmungslosen ein für allemal unschädlich zu machen? Was soll die Feststellung, daß die Zahl der Sexualmorde seit Jahren mit drei bis sieben pro Jahr fast gleich ist? Sind unsere Kinder Freiwild? Wie lange soll die Unsicherheit noch hingenommen werden? Nur wenn Triebtäter um ihren Kopf fürchten müssen, hat eine Verurteilung Sinn und kann weitere Schandtaten verhindern. 

Edith Lösch, Bad Laasphe

 

 

Zur Patriotismusdebatte und zu: "Das Kreuz mit dem Stolz" von Christian Vollradt, JF 14/01

Staatsräson der Bundesrepublik

Es macht mich langsam sauer, wenn sogar JF-Leser in Leserbriefen ständig die Meinung vertreten, daß die derzeitige rot-grüne Regierung sei für mangelndes Nationalbewußtsein und Canossarepublik allein vernatwortlich, und mit einer Ablösung der regierung durch CDU/CSU und FDP wäre wieder alles in Ordnung. Welch Irrtum! Diesen Lesern muß man entweder ein unglaublich schlechtes Gedächtnis vorwerfen. In diesem Zusammenhang empfehle ich die Lektüre des hervorragenden Artikels von Christian Vollradt.

Diesem möchte ich noch folgendes hinzufügen; es war die christlich-liberale Koalition, unter der sich die Zahl der Ausländer in Deutschland verdoppelt hat und die Einführung der Weichwährung Euro (auf massiven Druck unserer französischen Freunde) durchdrückte. Auf die Frage, warum uns die US-Amerikaner ungehindert auf eigenem Boden (Bad Aibling) ausspionieren dürfen, bemerkte der große Patriot Helmut Kohl, er wolle das gute partnerschaftliche Verhältnis zu gefährden. Und in der Patriotismusdebatte im Bundestag beriefen sich die CDU-Abgeordneten ausgerechnet auf Willy Brandt (der ja bekanntlich die deutschen Ostgebiete für ein Linsengericht an unsere östlichen Freunde verschenkte und dafür den Friedensnobelpreis erhielt), der sich schließlich auch irgendwann zu einem stolzen Deutschen bekannt habe.

Minister Trittin hat mit seiner Äußerung somit kurz und präzise lediglich die Staatsräson der Bundesrepublik ausgedrückt, wofür ihm Dank gebührt.

Volker Groß, Steinbach


 
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