© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    22/01 25. Mai 2001

 
Königsdämmerung am Dresdner Hof
CDU-Sachsen: Affären und die Nachfolgersuche für Ministerpräsident Biedenkopf schwächen die sächsische Union / Absolute Mehrheit 2004 in Gefahr
Paul Leonhard

Christine Weber ist empört. Die sächsische Staatsministerin für die Gleichstellung von Mann und Frau fühlt sich schlichtweg übergangen. Und noch dazu von Ministerpräsident Kurt Biedenkopf. Dabei hält sie sich mit ihren 52 Jahren für durchaus jung genug, um Nachfolgerin von "König Kurt" zu werden. Wenn dieser unlängst erklärte, "Minister unter 50" kämen für seine Nachfolge in Frage, dann lasse der Premier 52 Prozent der Sachsen, nämlich die Frauen, außen vor, schimpft Frau Weber und markiert damit einen weiteren Tiefpunkt der Nachfolgedebatte.

Seit der 71jährige Biedenkopf äußerte, jedes der sechs Kabinettsmitglieder unter 50 Jahren käme als sein Nachfolger in Betracht, agiert die sächsische Union in einem "machtfreien Raum", wie es der einflußreiche CDU-Vorsitzende des Vogtlandkreises, Fredo Georgi, bezeichnet. Denn eigentlich war im Landesvorstand der Verzicht auf jegliche Personaldebatten beschlossen worden. Aber offenbar haben die jüngsten Rücktrittsforderungen an Biedenkopf, insbesondere die Landtags-Sondersitzung, die sich ausschließlich mit diesem Thema beschäftigte, den Ministerpräsidenten zu diesem Vorstoß getrieben. Während sich Biedenkopf selbst zur Nachfolgefrage nicht mehr äußern will – die U-50-Gruppe soll das unter sich ausmachen, er habe mit ihrer Berufung ins Kabinett seinen Teil getan –, reagiert die Partei gespalten. Warum nur die "Gruppe der U 50" den Segen von oben bekomme, will beispielsweise das Grimmaer Vorstandsmitglied Hermann Winkler wissen. Für ihn ist "dieses Verfahren unmöglich", und auch Generalsekretär Frank Kupfer zeigt sich "schon verwundert". Andere sprechen von einer "Kunstkonstruktion", fehlender Legitimation und der Ausgrenzung von Kandidaten. Eine Gruppe von 17 Kreisverbänden billigt Biedenkopf dagegen nachdrücklich das Recht zu, seine Nachfolge mitzubestimmen.

Derweil werden in aller Öffentlichkeit nun Fähigkeiten und Chancen von Georg Brüggen (Chef der Staatskanzlei), Thomas de Maiziere (Finanzen), Steffen Flath (Umwelt und Landwirtschaft), Manfred Kolbe (Justiz), Matthias Rößler (Kultus) und Stanislaw Tillich (Europaangelegenheiten) bewertet und diskutiert. Sich überhaupt als Biedenkopf-Nachfolger ins Gespräch zu bringen, wird derzeit eigentlich nur Flath, Rößler und Tillich zugetraut. De Maiziere, den fachliches Wissen und Beweglichkeit auf der politischen Bühne auszeichnen, besitzt weder in der Partei noch in der Fraktion ausreichend Unterstützung. Über den für eine erfolgreiche Kandidatur nötigen Rückhalt verfügt dafür der aus dem westsächsischen Annaberg stammende Flath. Zwar hat der einstige CDU-Generalsekretär erst einmal abgewinkt, aber die Mannen um CDU-Kreisvorsitzenden Georgi bereiten derweil den Boden für ihren Favoriten. Aber auch der schon mehrfach als aussichtsreichster Kronprinz gehandelte Kultusminister Rößler steht in den Startlöchern. Der Dresdner hatte im vergangenen Oktober seine Ambitionen auf den Fraktionsvorsitz erst aufgegeben, nach dem ihn Biedenkopf aufgefordert hatte, vor der Kandidatur sein Ministeramt abzugeben. Das erschien Rößler damals zu unsicher. Auch jetzt haben CDU-Abgeordnete Zweifel an Rößlers Mehrheitsfähigkeit.

Inzwischen haben sich die sechs Minister nach Angaben des CDU-Landesverbandes mit CDU-Landeschef Fritz Hähle und Biedenkopf darauf verständigt, vor Abschluß der Kommunalwahlen keine Kandidatenvorschläge zu unterbreiten. Damit folgen sie einem Beschluß des Parteivorstandes, bis zum 24. Juni, dem Tag möglicher Neuwahlen in den Kommunen, nichts zur Biedenkopf-Nachfolge zu sagen.

An diese Vereinbarung hält sich auch Georg Milbradt. Der in Ungnade gefallene und aus dem Kabinett verstoßene Ex-Finanzminister und einstige Thronprinz reist seit Wochen mit stetem Eifer im Freistaat umher, übt sich in Rhetorik und findet mehr und mehr Anklang. Milbradt sei erfrischend und habe vor allem die richtigen Antworten auf die Fragen der Menschen, schwärmen Christdemokraten vor Ort. Zudem scheint Milbradt der einzige zu sein, der die auf der Tagesordnung stehenden Landesthemen wirklich angeht, der darüber nachdenkt, was für die Zukunft des Freistaates wirklich wichtig ist. Während andere christdemokratische Politiker als politisches Ziel formulieren, daß in den sächsischen Amtstuben wieder sächsisch gesprochen wird, strahlt Milbradt einen Gestaltungswillen aus, mit dem Biedenkopf einst 1990 die ersten Landtagswahlen in Sachsen gewann.

Als ersten Schritt zum geplanten Machtwechsel gilt die Übernahme des Parteivorsitzes am 15. September auf dem vorgezogenen Parteitag in Glauchau. Biedenkopf selbst will offenbar nur eins: Georg Milbradt als seinen Nachfolger verhindern.


 
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