© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    23/01 01. Juni 2001


LOCKERUNGSÜBUNGEN
Wissen
Karl Heinzen

Der "Bild"-Zeitung zufolge hat eine Umfrage einer Gesellschaft für Gehirntraining ergeben, daß die Deutschen den Quizmoderator Günther Jauch für den klügsten ihrer zeitgenössischen Landsleute halten. Auf den respektablen Plätzen zwei und drei finden sich Gerhard Schröder (Bundeskanzler) und Thomas Gottschalk (Entertainer und Aktienguru) wieder.

Ohne die Validität der Umfrage damit in Zweifel ziehen zu wollen, sind ihre Ergebnisse zum einen als überraschend anzusprechen. Andere Namen hätte man viel eher erwartet, den von Michel Friedmann sicherlich, vielleicht aber auch jene von Ulli Wickert oder Michelle – nach all den Enttäuschungen einst mit Matthias Reim und heuer mit dem Grand Prix wäre das eine nette Geste des Publikums gewesen. Zum anderen sind die Ergebnisse aber natürlich für manche ein kleiner Schock, da sie ihnen vor Augen führen, wie alt sie geworden sind: Dahin sind die Zeiten, in denen alle ohne Zögern Richard von Weizsäcker, Udo Jürgens und doch wohl auch den unvergessenen Wim Thoelke nominiert hätten!

Diese Einwendungen können die Legitimität der drei klügsten Deutschen, als solche zu gelten, im Kern nicht antasten. Für Günther Jauch spricht bereits allein, daß jemand, der überall zu sehen ist und dafür auch noch bezahlt wird, zunächst schon einmal wissen muß, wie es geht. Dann stellt er Menschen vor laufender Kamera Fragen, die sie ihm richtig beantworten müssen, wenn sie ihm an Reichtum ebenbürtig werden sollen. So etwas kann aber, dies ist halt die unausrottbare Logik jeder echten Prüfungssituation, glaubwürdig nur jemand, der in den Antworten auch zu Hause ist. Glaubwürdigkeit ist jedoch das letzte, das man ihm absprechen wollte.

Gerhard Schröder nun ist zwar weniger polarisierend, dafür aber weniger präsent. Da er als Kanzler die Richtlinienkompetenz hat, ist er auf allen Feldern der Politik bewandert. Da er beständig über alle diese Felder öffentlich redet, wäre Gegenteiliges kaum zu verbergen. Wo man das Gefühl hat, es wäre zu einem Thema mehr oder gelegentlich auch anderes zu sagen gewesen, gibt es niemanden, der ihm nicht zutrauen würde, auch dazu imstande zu sein. Thomas Gottschalk schließlich lebt in den Vereinigten Staaten und hat dort per se alle Möglichkeiten, etwas vor Ort mitzubekommen, was er später den Daheimgebliebenen alle paar Samstage im Jahr erzählen kann. Vor allem weiß er offenbar, wie man leben sollte. Dieses Geheimnis würden die meisten gerne mit ihm teilen.

Nicht nur jene aber, die in der Umfrage auf die vordersten Plätze kamen, dürfen sich geehrt fühlen. Auch die vielen, die sie benannten, verdienen Anerkennung. Sie zeigen, daß sie die Herausforderungen unserer Gegenwart begriffen und angenommen haben, um zukunftsfähig zu bleiben. Eine Informationsgesellschaft wird erst dann zur Wissensgesellschaft, wenn man weiß, was wirklich wissenswert ist. Es ist die Ressource Mensch, auf die es ankommt. Um sie muß niemand bangen, der als wissend gilt.


 
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