© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    24/01 08. Juni 2001

 
Meldungen

Gentechnik I: Kirchen warnen vor Mißbrauch

FRANKFURT/MAIN. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, hat in der Kontroverse um die Gentechnik am Pfingstsonntag im Mainzer Dom davor gewarnt, die Macht des Menschen zu überschätzen. "Wir benehmen uns wie die Herren der Welt und vergessen unsere Begrenztheit", kritisierte Lehmann. Der Mensch solle jedoch bescheiden bleiben, mahnte der Bischof. Das gelte auch für das Verhältnis zum Leben ungeborener Kinder, die sich nicht gegen Gewalt wehren könnten. Der EKD-Ratsvorsitzende Manfred Kock rief in Hannover zum Widerstand gegen die Nutzung menschlicher Embryonen als Biomasse auf. Kock betonte, Christen könnten nicht hinnehmen, daß menschliche Embryonen für Forschungszwecke hergestellt oder verbraucht werden. Der Kölner Erzbischof und Kardinal Joachim Meisner sprach im Zusammenhang mit der Genforschung von einer "Zivilisation des Todes".

 

Gentechnik II: Bedenken über Entgrenzung

BERLIN.  Der Generalsekretär des Club of Rome in Deutschland, Uwe Möller, hat im NDR die Befürchtung geäußert, angesichts der internationalen Entwicklung könnten der Genforschung keine Grenzen gesetzt werden. "Man kann zwar in Deutschland Gesetze machen, aber damit verhindert man die Entwicklung nicht, denn sie findet heute international statt", sagte Möller am vergangenen Donnerstag. So könnten Ehepaare, die Präimplantationsdiagnostik (PID) wünschten, ins Ausland gehen. Die Debatte in Deutschland sei aber im Hinblick auf die weiteren Möglichkeiten der Gentechnik trotzdem wichtig. Dabei müsse deutlich gemacht werden, was die Politik regeln könne und wo es auf Ethik und Moral ankomme. Die Deutsche Gesellschaft für Humangenetik wies darauf hin, daß auch die PID das Risiko von Behinderungen bei Neugeborenen nicht ausschließe.

 

Gentechnik III: Kritik an Hochmut der Politik

BERLIN. Als "erschreckend" hat die Medizin-Nobelpreisträgerin Christiane Nüsslein- Volhard Heftigkeit und Hochmut mancher Politiker gegenüber Wissenschaftlern in der derzeitigen Gentechnik-Debatte kritisiert. "Daß sich einige Politiker so stark auf den Katholizismus berufen, finde ich intolerant. Ich denke nicht, daß die katholische Kirche das Recht hat, dogmatisch Ethiknormen festzulegen", sagte die Direktorin am Tübinger Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie gegenüber dem Berliner Tagesspiegel. Die Biologin kritisierte vor allem die Rede von Johannes Rau zur Gentechnik. Der Bundespräsident habe eine "ausgesprochen wissenschaftsfeindliche" und "extrem konservative" Haltung eingenommen. Die von Rau geäußerte Befürchtung, nun sei der genetische Neuentwurf des Menschen möglich, sei "vollkommen überzogen", meinte Nüsslein-Volhard. Sie sprach sich gegen ein Verbot der Präimplantationsdiagnostik aus.

 

Gentechnik IV: Forscher für mehr Transparenz

BERLIN. Nach Ansicht der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) sollten die Grenzen der Gentechnik angesichts des wissenschaftlichen Fortschritts ausgeweitet werden. "Das Wichtige ist doch, daß es transparent und kontrolliert weitergeht und wir nicht irgend etwas tun, was irgendwo weltweit von irgend jemanden gesagt wird, sondern daß wir ein transparentes Verfahren entwickeln, das auch in der Öffentlichkeit bekannt- gemacht wird", sagte DFG- Präsident Ernst-Ludwig Winnacker im Deutschlandfunk. Unter Hinweis auf Schwangerschaftsabbrüche warb er für die Zulassung der Präimplantationsdiagnostik. Man könne nicht erst den Test auf eine schwere Erbkrankheit verweigern, wenn später doch noch eine Beseitigung durch eine Abtreibung möglich sei.


 
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