© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    25/01 15. Juni 2001


Amerikanisierung
Neulich im Institut Français
Dieter Stein

Seit einigen Wochen besuche ich einen Grundkurs für Französisch im Berliner Institut Français, dem französischen Gegenstück zum deutschen Goethe-Institut. Im Sommer möchte ich für zwei Wochen in die Bretagne fahren und vorher Freunde in Paris besuchen – eine Schande, wenn man sich nicht wenigstens auf einfachste Weise verständigen kann. Während des Studiums habe ich schon einmal einen Intensiv-Kurs am Institut Français besucht, weil ich eine zweite moderne Fremdsprache nachweisen mußte. Ich habe fast alles vergessen. Schon damals hat mir aber gut gefallen, daß die Französisch-Kurse von Franzosen geführt werden, so daß man die Chance hat, eine gute Aussprache zu lernen, und daß die Kurse so klein sind (maximal zehn bis zwölf Personen), daß man unweigerlich mehrere Male pro Stunde zu Wort kommt.

So drücke ich nun noch einmal die Schulbank bei der Lehrerin, einer Pariserin, die mit großer Geduld und begeisterndem Charme dem kleinen Kreis von ausländischen und deutschen Berufstätigen, Studenten und Schülern ihre Muttersprache beibringt. Und wie sie von Paris schwärmt! Einmal lautet die simple Übung, zu sagen, welche Stadt man liebe. "J’aime Rome", "j’aime Berlin", "j’aime London" lauteten die übungsmäßig korrekten Antworten. Mit gespielter Entrüstung rief die Lehrerin: "Und niemand sagt Paris? Unglaublich!"

Schon mehrmals ist mir aufgefallen, wie unwillig die Lehrerin auf englische Wörter wie "okay" reagierte. In der letzten Stunde stand nun wieder ein englisches Fremdwort zur Debatte, das im Französischen durchaus wie im Deutschen gebräuchlich ist, nämlich Personal Computer (PC). Sie lehne den Begriff ab, sagte sie, das Französische biete den wunderbaren Begriff l’ ordinateur. Der "Befehlsgeber", ein schöner Begriff, in Deutschland gibt es den "Rechner", der ein stiefmütterliches Dasein fristet. Ein Schüler fragt, in typisch deutscher Naivität: "Warum legen Sie denn Wert darauf?" Als ob es das Selbstverständlichste der Welt wäre, antwortet sie: "Nein, wir verwenden die Anglizismen grundsätzlich nicht. Wir sind Puristen. Wir leisten Widerstand gegen die Amerikanisierung der Sprache." Und wie zur Unterstreichung schob sie fröhlich lächelnd nach: "Einer muß schließlich Widerstand leisten. Und wenn wir die letzten sind!"

Die gute Lehrerin kennt ihre Deutschen. Sie kommen sich oft so kosmopolitisch und weltläufig vor, wenn an der Universität "Hand-Outs" verteilt werden (heißt im Englischen etwas ganz anderes, nämlich "Almosen", während es "Handys" gar nicht gibt). Wer kosmopolitisch denkt, muß national handeln und die eigene Kultur vor der globalen Einebnung und sprachlichen Vermüllung durch Anglizismen und Amerikanisierung schützen. Die Franzosen machen es vor – wenn sie auch bei der rücksichtslosen Unterdrückung regionaler Sprachen wie des Bretonischen, Baskischen, Korsischen oder Elässer Deutsch ein negatives Beispiel geliefert haben. Vom Widerstandswillen der französischen Nation können wir uns aber allemal eine Scheibe abschneiden ...


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