© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    25/01 15. Juni 2001

 
Platon statt Judenwitze
Die NPD strebt eine Intellektualisierung an
Angelika Willig

Wie wichtig ist politische Theorie? Anscheinend nicht so wichtig. Die Linken waren theoretisch brillant, die Rechten gaben sich alle Mühe, und gesiegt haben die Ignoranten. Es gab allerdings auch unter den Rechten immer welche, die jedes Nachdenken für schädlich hielten und Politik aus dem Bauch heraus machen wollten. Vielleicht hätten wir auf sie hören sollen. Die "Neue Rechte" jedenfalls mit ihrer ach so geschickten Anverwandlung postmoderner Eskapaden ist mit jener Postmoderne sang- und klanglos eingegangen. Das Problem mit dem "Bauch" besteht aber darin, daß die meisten bundesrepublikanischen Bäuche nicht rechts ticken und man sie deshalb umstimmen müßte. Das versucht die NPD mit ruhigem festen Tritt und dem Schwenken schwarz-weiß-roter Fahnen. Manchen mag es dabei gepackt haben, aber die meisten doch eher im Gegenteil. Daher setzt die Partei inzwischen verstärkt auf die geistige Auseinandersetzung.

Es reicht nicht, so der Parteivorstand, bloß seinem Abscheu gegen das "System" Ausdruck zu geben; es reicht auch noch nicht, den Abscheu begründen zu können, sondern man braucht eine konkrete Alternative. Da schlackern uns Gemäßigten die Ohren, denn genau das ist ja der Grund, weshalb wir es nie wagten, vom "System" zu sprechen und uns dagegen eindeutig abzusetzen, eben weil uns die Alternative fehlt. Und wenn schon eine Alternative zumindest denkbar wäre, dann würde sie ja sofort in Konflikt mit unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung bzw. mit dem Grundgesetz geraten. Will sich also die NPD mit derartigen Broschüren ihrer Verfassungsfeindlichkeit offen rühmen, oder schafft sie es tatsächlich, eine "Fundamentalopposition" im Rahmen der FDGO zu lancieren? Um es gleich zu sagen: Jürgen Schwab liefert ein kleines Meisterstück, wie gemacht für mißtrauische Richter, die sich für ein Verbot an die Informationen der V-Leute werden halten müssen.

Schlüsselbegriff für die Argumentation ist die "Demokratie". Demokratie ist zunächst mal der Horizont unseres politischen Vorstellungsvermögens. Alles was nicht demokratisch ist, kommt nicht in Frage. Sich gegen die Demokratie zu stellen, ist das Todesurteil. Daher nennt sich die NPD "nationaldemokratisch" und schärft ihren Anhängern ein: "Wer die Begriffe Liberalismus und Demokratie gleichsetzt und gemeinsam ablehnt, ist der Propaganda der herrschenden Klasse bereits auf den Leim gegangen." Geschickt werden hier Liberalismus und Demokratie gegeneinander ausgespielt. Ein Platon-Zitat belegt, daß die griechischen Demokratie-Erfinder stets ein homogenes Staatsvolk vor Augen hatten. Wer diese Auffassung "völkisch" nennen will, kann es ohne Frage tun. Weil "Volksherrschaft" ein Volk voraussetzt, das diesen Namen verdient, bezeichnet sich die nationalistische Partei als wahren Hüter der Demokratie. Wir erinnern uns an die Deutsche Demokratische Republik oder auch an die Volksrepublik China, wo Begriffe wie "Demokratie" und "Republik" aus westlicher Sicht mißbraucht wurden. Interessant ist daran, daß die Kommunisten an solchen Begriffen wenigstens propagandistisch festhielten – während das Dritte Reich keine 99-Prozent-Wahlen veranstaltete. Mit Diktaturen wollen die "Nationaldemokraten" nichts zu tun haben. Schon Martin Mußgnug bekannte sich zu den "unveräußerlichen Werten der Demokratie". Erst dann kommt man auf die "Freiheit als Gemeinschaft des Volkes", das "menschenverachtende Großkapital" und – besonders aktuell – das "Erbgut als Bestimmung" zu sprechen. So schlimm kann die "neue politische Ordnung" nicht sein, wenn es dabei stets "demokratisch" zugeht. Von einer Volksbewegung will die Partei eines Tages getragen sein, die sich irgendwie zur "Nationalversammlung" konstituiert und eine neue Verfassung erläßt. Wie die aussehen soll, bleibt dem befreiten "Volk" überlassen.

Das mag naiv sein oder auch verlogen, doch leicht zu schlagen ist es nicht. Wir haben das Glück, die Systemfrage nicht stellen zu müssen. Wir sind ja keine Extremisten. Doch was halten wir eigentlich von der Demokratie? Was verstehen wir unter Demokratie? Denken die Konservativen, daß der Wähler jemals gegen sein Privatinteresse und für die ewigen Werte stimmen wird? Hoffen die Liberalen, daß die Untüchtigen für die Belohnung der Tüchtigkeit eintreten? Die Verbindung von Liberalismus und Demokratie ist tatsächlich nicht zwingend. Es gibt nicht nur Demokraten gegen den Liberalismus, es gibt auch Liberale gegen die Demokratie.

Wenn wir auf den Bauch hören, gibt es nur Demokraten. Die Vorstellung ist einfach beruhigend, daß jeder die gleiche Stimme hat und, wenn es schiefgeht, die gleiche Schuld. Es kommt einem dann nicht so zu Bewußtsein, wie kompliziert und störanfällig unser sogenanntes System ist. Keiner durchschaut es und alle regieren. In der Wirtschaft muß jeder Abteilungsleiter den Durchblick haben oder so tun. Deshalb finden sich die Herrenmenschen heute bei der Bank – gerade im Kino Alfred Herrhausen – und nicht im Parlament oder gar in der NPD.

 

Profil. Nationaldemokratische Schriftenreihe – Folge 11. Klarheit im Denken und Handeln beim Thema "Neue Ordnung". Staatspolitisches Positionspapier des Arbeitskreises "Volk und Staat" beim NPD-Parteivorstand.


 
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