© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de   27/01 29. Juni 2001


Wem die Stunde schlägt
Die PDS etabliert sich im Parteiengefüge Deutschlands
Michael Wiesberg

Die Politologin Margarita Mathiopoulos (SPD) stellte in ihrem 1993 erschienenen Buch "Das Ende der Bonner Republik" fest, daß "die zukünftige Berliner Republik nicht automatisch an der bewährten Bonner Republik anknüpfen" werde. "Der politisch-historisch deutsche Prozeß", so Mathiopoulos damals, sei "noch offen".

Mit einer möglichen Regierungsbeteiligung der PDS in Berlin, die von der SPD durch deren Beteiligung am Sturz des bisherigen Regierenden Bürgermeisters Eberhard Diepgen (CDU) erneut hoffähig gemacht wurde, dürfte der von Mathiopoulos angesprochene "offene deutsche Prozeß" zu einem vorläufigen Ende gekommen sein. Denn die Etablierung der PDS im Parteiengefüge der Bundesrepublik bedeutet mit Sicherheit einen "Paradigmenwechel". Diesen Paradigmenwechsel hat der Politologe Rainer Zitelmann so charakterisiert: "Ein Wahlsieg der vereinten Linken würde nicht einfach zu einer anderen Regierung führen, sondern zu einer anderen Republik. Es wäre dies nicht mehr eine pluralistische, freiheitlich-demokratische Grundordnung, sondern eine antifaschistisch-demokratische Ordnung." Meint: Die "Berliner Republik" wird in Zukunft nicht mehr durch den Umgang oder durch die Abgrenzung gegenüber der PDS bestimmt sein, sondern durch Kooperationsmodelle mit ihr. Damit ist für die PDS ein Ziel erreicht, das der ehemalige PDS-Vorsitzende Bisky 1996 so beschrieb: "Erst wenn die Mechanismen der Bonner Republik nicht mehr greifen, kann die PDS regieren."

Dieser Zustand ist spätestens mit dem Wiedereinzug der PDS in den Bundestag am 27. September 1998 Realität geworden. Damals jubelte Gregor Gysi, daß das Resultat seiner Partei die Bundesrepublik verändere. Eine Partei links von Bündnis 90/Die Grünen und SPD sei nun unübersehbar. Lothar Bisky konstatierte, daß die "politische Logik der Bonner Republik" aufgebrochen sei. Die "Mehrheitsverhältnisse" würden "von einer pluralistischen Linken bestimmt". Sie hat mit ihrer Arbeit, das zeigt das Beispiel Berlin, durchschlagenden Erfolg gehabt.

Dieser grundlegende Wandel des Parteiengefüges in der Bundesrepublik kommt keineswegs überraschend, sondern verdankt sich auch und vor allem einer "öffentlichen Meinung", die zum Großteil im linken Spektrum zu verorten ist. Dem Politologen Arnulf Baring ist recht zu geben, wenn er feststellt, daß sich deshalb das gesamte Parteienspektrum nach links verschoben habe, "während es in der rechten Ecke nur unbedeutende, einflußlose Splittergruppen gibt". Daß parallel dazu der "antitotalitäre Grundkonsens" der Bundesrepublik aufgekündigt wurde, liegt in der Konsequenz dieser Entwicklung. Die weitgehende Akzeptanz, die die PDS inzwischen genießt, läßt nur die Schlußfolgerung zu, daß die Grenze zwischen politischem Extremismus und Demokratie dann ihre Bedeutung verliert, wenn Extremisten nur genügend Wählerzuspruch finden. Genau dies legt die SPD, die die Etablierung der PDS nach Kräften fördert, nahe. Aber nicht nur die SPD hat für die PDS Schrittmacherdienste geleistet. Auch die ehemalige Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU) meinte Ende 1995 nach einem Gespräch mit Gregor Gysi und Lothar Bisky feststellen zu müssen, daß "eine Ausgrenzung der PDS die Gefahr der Ausgrenzung von Wählerinnen und Wählern" beinhalte.

Die Unionsparteien haben der Strategie der "vereinten Linken" bisher nicht nur keinen entschlossenen Widerstand entgegengesetzt, sie haben deren Etablierung auch noch nach Kräften gefördert. In der im letzten Jahr von der antifaschistischen Linken von SPD bis PDS unter williger Unterstützung der FDP vom Zaun gebrochenen "Kampagne gegen Rechts" hat sich die Union nur zu willig eingereiht und damit erneut demonstriert, daß sie auch in Zukunft alles daran setzen wird, jeden erfolgreichen Politikansatz rechts von ihr rücksichtslos zu zerstören. Zuletzt gelang dies der CDU mit den Republikanern in Baden-Württemberg, denen Ministerpräsident Teufel nach deren verpaßtem Wiedereinzug in den Landtag bescheinigte, eine "Schande" für eben diesen Landtag gewesen zu sein. Teufels Diktion hat sich hier in keiner Weise von der antifaschistischer Eiferer gegen Rechts unterschieden.

Deshalb ist auch Skepsis gegenüber dem Kokettieren der CDU mit der Partei Rechtsstaatlicher Offensive ("Schill-Partei") in Hamburg angebracht. Eine mögliche Koalition mit der CDU in Hamburg hätte nur eine Folge: Die Umarmung seitens der CDU würde die Schill-Partei unschädlich machen. Sollte die PRO den Versuch unternehmen, bundesweit Aktivitäten zu entfalten, dürfte deren Weg steinig werden. Projekte wie STATT-Partei, Bund Freier Bürger oder DSU sollten hier Lehre genug gewesen sein. Diese scheiterten nicht zuletzt an den linksorientierten Medien, die massiv gegen einen möglichen Erfolg dieser Parteien arbeiteten. Reicht die Denunzierungs- und Diffamierungsstrategie der Medien nicht mehr aus, bleibt immer noch das Schwingen des "Verfassungsschutz-Knüppels", den der ehemalige thüringische Innenminister Richard Dewes (SPD) einmal als "parteipolitisches Hilfsinstrument" bezeichnete.

Die derzeitige Führungsriege der Unionsparteien fällt deshalb für eine "konservative Wende" weitgehend aus. Sie hat sich zum Transmissionsriemen des "antifaschistischen Linksbündnisses" gemacht. Damit bewahrheitet sich eine Einschätzung des Publizisten Heimo Schwilk, der in seinem Beitrag für das Buch "Für eine Berliner Republik" (1997) prognostizierte, daß "das Vakuum rechts von der Mitte weiter wachsen" werde. "Die intellektuellen Vordenker einer konservativen Wende", so Schwilk, "sollten sich deshalb auf eine Katakombenexistenz einstellen."

Immerhin hält Schwilk dennoch grundlegende Änderungen in Deutschland in Form von "erdrutschartigen Wählerbewegungen" für möglich. "Eine durch Volksfront-Bündnisse destabilisierte oder durch eine große Koalition gelähmte Gesellschaft" könnte zu "radikalen Veränderungswünschen" führen, "die jetzt noch unrealistisch erscheinen", stellte Schwilk fest. Eine "neue demokratische Rechte" sollte sich auf diesen Fall "politisch und logistisch vorbereiten". Daß eine derartige Wende von einer wie auch immer gearteten "neuen demokratischen Rechten" einen langen Atem erfordert, versteht sich von selbst.

Derzeit deutet aufgrund der Erfolglosigkeit jedes rechtskonservativen Politikansatzes in Deutschlands auf eine derartige Wende nichts hin. Dies kann sich aber in einer "Stimmungsdemokratie" wie der deutschen vor dem Hintergrund zerrütteter Staatsfinanzen, der EU-Osterweiterung, der Einführung des Euro oder einer möglichen Rezession schnell ändern. Auf den damit einhergehenden Stimmungsumschwung sollten sich die konservativen Kräfte in Deutschland jetzt schon einstellen.


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