© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    27/01 29. Juni 2001

 
"Alles Schmarr’n"
Burschenschaften: Die Angriffe gegen die Münchner Studentenverbindung Danubia nehmen zu / Dachverband soll Vorwürfe prüfen
Moritz Schwarz

Am Mittwoch vergangener Woche hat der zweite Prozeß im Zusammenhang mit der Affäre Danubia vor dem Landgericht München begonnen. Bei einer Schlägerei am 13. Februar hatte eine Gruppe von etwa zwanzig Skinheads nach einer Geburtstagsfeier einen griechischen Passanten beinahe totgeschlagen (JF berichtete). Eine Gruppe von zufällig vorbeikommenden Türken hatte den Griechen gerettet und sich mit den Skinheads eine Schlägerei geliefert. Der mutmaßliche Haupttäter der Skinheadgruppe, der 19jährige Christoph S., selbst bei der Auseinandersetzung lädiert, war anschließend von zwei Burschenschaftern zum Haus der Burschenschaft Danubia in München-Bogenhausen gebracht worden und hatte dort im Keller einige Stunden geschlafen, bevor er früh morgens wieder aus dem Haus verschwand.

Bereits im Mai waren zwei von zwölf Skinheads, gegen die die Staatsanwaltschaft München wegen des Vorfalls ermittelt, zu 18 bzw. 14 Monaten auf Bewährung verurteilt worden. Jetzt stehen erneut drei mutmaßlich Tatbeteiligte vor Gericht, sie bestreiten allerdings, etwas mit der Schlägerei zu tun gehabt zu haben. Einer der drei ist ein ehemaliger Angehöriger der Danubia, der zusammen mit einem Kommilitonen der Prager Burschenschaft Teutonia zu Regensburg, Christoph S. ins Haus der Danubia gebracht haben soll. Skinhead S. und seine 18jährige Freundin Maria-Anna von P. – die nach eigenen Angaben von dem Griechen "angemacht" worden ist, nach Darstellung des Opfers die Skinheads zu dem Angriff angestiftet haben soll – stehen vorraussichtlich ab dem 27. September vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen "versuchten Mord" und "Tötungsabsicht aus ausländerfeindlichen Motiven" vor. So soll Maria-Anna von P. gerufen haben "Stirb, Du Scheiß-Ausländer!"

Dubios scheint allerdings auch die Person des schwer verletzten Griechen. Gegen ihn liefen, laut Focus, bisher drei Verfahren wegen Körperverletzung, die allerdings alle eingestellt wurden. Er soll seine Freundin geschlagen haben. "Das ist nicht wahr", behauptet dagegen das Opfer. Auch einige der rettend eingreifenden Türken sind polizeibekannt, so daß der Münchner Oberbürgermeister Ude im Februar zunächst darauf verzichtete, die betreffenden Personen von Seiten der Stadt für ihr Engagement ehren zu lassen.

Wie die Staatsanwaltschaft München auf Anfrage der JUNGEN FREIHEIT mitteilte, wird gegen den jetzt vor Gericht stehenden ehemaligen Danuben, der S. aufs Haus der Burschenschaft gebracht haben soll, auch wegen Volksverhetzung ermittelt. Denn auf der Geburtstagsfeier sollen antisemitische Lieder gesungen worden sein. "Alles Schmarr’n" nimmt der kroatische Wirt der Gastätte "Burg Trausnitz", in der die Geburtagsgesellschaft gefeiert hatte, seine damaligen Gäste, gegenüber der JUNGEN FREIHEIT in Schutz. "Die sahen doch völlig normal aus, haben Bier getrunken und zur Gitarre gesungen", sagt er. Nach dem Mädchen habe "einer nach dem anderen das Lokal verlassen". Von der Schlägerei habe er nichts mitbekommen. Zeugen beschuldigen ihn dagegen, den "Neonazis durch die Hintertür zur Flucht verholfen zu haben". "Ich sag gar nichts mehr", so der Wirt gegenüber der JF, "weil eh‘ nichts davon stimmt, was die Presse geschrieben hat."

Die Danubia ist indessen weiter unter Druck geraten. Am vergangenen Freitag hatten etwa hundert Personen vor ihrem Verbindungshaus demonstriert. Vor allem "rote und grüne Politiker, aber auch ein CSU-Mann", wie die Süddeutsche Zeitung in ihrer Wochenendausgabe berichtete. Dabei befleißigten sich die Demonstranten auch Transparent-Losungen im Stiele "gesundes Volksempfinden", etwa die Bezirksauschußvorsitzende Christiane Hacker (SPD): "Bogenhausen fühlt sich gut ohne diese braune Brut". Der Landesvorsitzende der bayerischen Grünen, Jerzey Montag, forderte nicht nur Burschenschaften müßten von den Universitäten verbannt werden, sondern auch deren Enteignung ins Auge zu fassen.

Ebenfalls am vergangenen Freitag haben die Münchner Burschenschften beschlossen noch in dieser Woche, die Vorwürfe gegen die Danubia vom Dachverband der deutschen Burschenschaften prüfen zu lassen. Das könnte zu einem Ausschluß der Danubia führen. Und auch gegen die Teutonia zu Regensburg soll jetzt ein solches Verfahren beantragt werden.

Zwar wußten die Danuben zunächst wirklich nicht, wer bei ihnen in fraglicher Nacht untergekommen war. Dennoch erscheint das Entsetzen der Münchner Burschenschaften über die Bundesbrüder verständlich, denn auch als den Danuben schließlich klar wurde, wer der späte Gast war, versäumten sie es die Polizei zu verständigen. Und auch als sich die Presse schließlich auf die Danuben einschoß, trug man kaum etwas zur Klärung der Angelgenheit bei, sondern stellte sich stur.

So treibt die Presse die Danubia in den letzten zehn Tagen mit der dauernd wiederholten Beschuldigung, sie habe einen "Neonazi versteckt", vor sich her. Ungeachtet dessen, daß die Polizei die Burschenschaft von diesem Vorwurf längst entlastet hatte. Auch die Behauptung, gegen die Danubia werde wegen Strafvereitelung ermittelt, wurde immer wiederholt – was die Staatsanwaltschaft München auf Anfrage der JUNGEN FREIHEIT jedoch dementierte. Obwohl die Danubia mit einer glaubhaften Geschichte die Übernachtung von Christoph S. erklären konnte – S. und der ehemalige Bundesbruder trafen nachts um zwei Uhr ein, das Verbindungshaus war wegen einer bevorstehenden Feier voller Gäste, Gäste offneten auch die Tür und die beiden Besucher verschwanden in einem extra für ‚einen solchen feuchtfröhliche Notfall‘ eingerichteten Ausnüchterungsraum im Keller des Hauses – wurde immer wieder unterstellt, man hätte die Situation nicht durchschauen wollen. Dabei hatte man nicht einmal auf der Polizeistation, die S. am nächsten Tag von sich aus aufsuchte, um sich nach seiner Freundin zu erkundigen, Verdacht geschöpft. S. war erst Wochen später in Holland festgenommen worden.

Das es – unabhängig von der Schuldfrage – vor allem aber darum geht, die Gelgenheit zu nutzen, die politisch verhaßten Burschenschaften zu "zerschlagen" und die gezähmten Bruchstücke antifaschistisch zu lähmen, darauf weist nicht zuletzt eine Forderung des bayrischen SPD-Bundestagsabgeordneten Christoph Moosbauer hin. Der hat mittlerweile an das Münchner Innenministerium appelliert, ein Verbot der Danubia sowie der "ebenfalls rechts orientierten", wie die SZ am vergangenen Dienstag schreibt, Teutonia zu Regensburg "ernsthaft zu prüfen".


 
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