© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    28/01 06. Juli 2001


Pyrrhussieg
von Carl Gustaf Ströhm

Nun ist er also "ausgeliefert" und sitzt statt im heimatlichen Belgrad im fernen Den Haag in einer Kriegsverbrecherzelle, wo man ihn für den bevorstehenden Prozeß präparieren wird. Gewiß, es besteht kein Grund, diesem Slobodan Milosevic, der zumindest moralisch, wenn nicht juristisch Hunderttausende von Menschenleben auf dem Gewissen hat, eine Träne nachzuweinen. Die großserbische Apokalypse, die er gegen Kroaten, Moslems und Albaner entfesselte, hat den Südosten Europas auf viele Jahre ruiniert – auch sein eigenes Land Serbien.

Dennoch beschleichen den Beobachter böse Vorahnungen angesichts des westlichen Triumphgehabes. Es ist ein Irrtum, zu glauben, es genüge, einige Kriegsverbrecher einzusperren, um die Probleme zu lösen, aus denen diese düstere Gestalt hervorging. Jene Serben, die ihm einst zujubelten, werden Milosevic eines Tages als Märtyrer verehren, der für einige Milliarden an den Westen verkauft werden mußte, damit das eigene Land nicht in Hunger und Chaos versinkt. Ein Reicher, mag er moralisch und juristisch noch so sehr im Recht sein, der einen Armen aufgrund von dessen Armut erpreßt, darf sich nicht wundern, wenn der Arme ihm eines Tages dafür die Rechnung präsentiert. Schließlich bleibt der Verdacht, daß Milosevic nicht der Gerechtigkeit, sondern der schnöden Machtpolitik wegen vor Gericht gezerrt wird. Nicht daß er mindestens vier Kriege anzettelte, wurde ihm zum Verhängnis. Daß er alle vier verlor und deshalb als Partner des Westens uninteressant wurde, brach ihm das Kreuz. Jetzt versuchen in Belgrad andere, in seine Stiefel zu steigen. Wer weiß, ob ihnen das auf Dauer bekommen wird.


 
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