© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    28/01 06. Juli 2001

 
Süssmuths neue Kleider
Die Zuwanderungskommission der Bundesregierung fordert mehr Einwanderer
Werner Soest

Die Zuwanderung und ihre Probleme: Es gibt seit langem kein anderes Thema, bei dem veröffentlichte und öffentliche Meinung nicht nur nicht übereinstimmen, sondern sich im scharfen Gegensatz zueinander befinden. Dies gilt auch für die Politik, die – offenbar nach dem Vorbild der späteren SED-Führung – jegliche Realität leugnet. Und noch mehr gilt dies für die "aufgeklärte Linke" und ihre Medien von Hamburg bis München: Was früher als "Basisorientierung" gelobt wurde, wird jetzt als "Populismus" diffamiert, und die seinerzeit geförderte "Betroffenheit" wird nun als "Stammtisch" geschmäht. Beim Thema Zuwanderung hat sich der Realitätsverlust hierzulande ins Absurde gesteigert. Man könnte also über die faktische Bankrotterklärung der Linken Schadenfreude empfinden, ginge es nicht um die Existenz dieses Landes, seine Gesellschaft und Demokratie.

Was sagt nun die Süssmuth-Kommission dazu? Hier beschränkt man sich "streng wissenschaftlich" auf einzelne Kategorien von Zuwanderern, so, als ob es sonst keinerlei Probleme mit der bisherigen Massenzuwanderung gäbe – und selbstverständlich auch keine Massenarbeitslosigkeit. Die Kommission empfiehlt also, im nächsten Jahr beginnend 50.000 einwandern zu lassen, verteilt auf drei Gruppen: "Junge ausländische Ausbildungsplatz-Bewerber", "Engpaß-Arbeitskräfte" sowie "Punktesystem-Einwanderer". Zusätzlich sollen Selbständige und ausländische Spitzenkräfte "unbegrenzt" ins Land kommen.

Dem aus "klassischen" Einwanderungsländern übernommenen Punktesystem haben Vertreter der Gewerkschaften und der Arbeitgeber bereits zugestimmt. Im Rahmen der herrschenden Systemlogik könnte das begrüßt werden. Allerdings hatte der linke Fundamentalismus schon früher jegliche Orientierung an Qualitätsmerkmalen als "Einwanderung nach Gutsherrenart" (Frankfurter Rundschau) empört zurückgewiesen. Wie wird er nun darauf reagieren? Die politisch korrekte Systemlogik der medial über uns Herrschenden besagt, aufgrund der unleugbaren Massenzuwanderung sei Deutschland ein Einwanderungsland. Richtig. Diese Logik entspricht – zugespitzt – der Schlußfolgerung: Da hierzulande hohe Kriminalität besteht, müsse diese auch gefördert werden; das sei nur Anerkennung der Tatsachen. Der Vergleich mag polemisch sein, aber in beiden Fällen geht es um die Existenz – auch um die innere Sicherheit – unseres Staates. Politiker und Medien mögen die extrem hohe Kriminalität von Zuwanderern und Asylbewerbern bagatellisieren – die Bevölkerung tut es nicht, weil sie "betroffen" ist. Aber ihre Sorgen und Probleme werden von den Verantwortlichen nicht wahrgenommen. Schlimmer noch – sie werden als "rechtsextrem" selber kriminalisiert, aus Opfern werden Täter gemacht.

Die jährlich über zweitausend Drogentoten und die gigantische "Beschaffungskriminalität" sind da nur ein Aspekt unter vielen anderen. Über die Herkunft nicht nur dieser Gewalt wird geschwiegen. Lichterketten finden nicht statt, auch kein "Aufstand der Anständigen".

Wenn sich die Süssmuth-Kommission auf die Einladung von "Hochqualifizierten" und "Ausbildungsplatz-Bewerbern" konzentriert, so reklamiert sie den Anschein des Sachlichen für sich – und in der Tat scheinen die Fakten dem zu entsprechen: Seit langem haben wir jährlich folgende Zuwanderung: 100.000 Aussiedler, 150.000 "Familienzuführungen", 100.000 "Asylbewerber", etwa 50.000 Illegale. Diese 400.000 Zuwanderer stehen aufgrund fehlender Qualifikation dem Arbeitsmarkt kaum zur Verfügung, wohl aber unserem Sozialsystem. Da müssen doch endlich zusätzlich richtige Arbeitskräfte her!

Nun haben wir weiterhin faktisch mehr als fünf Millionen Arbeitlose. Die Weimarer Republik ist daran zugrunde gegangen. Heutzutage wird das Problem nicht zur Kenntnis genommen – wer darüber zu sprechen wagt, wird als rechtsextrem ausgegrenzt. Jeder hat die Mär zu glauben, daß wir Zuwanderung dringend benötigen. Es gehört zu den Absurditäten dieses Landes, daß selbst die Gewerkschaften, die Kirchen und die SPD – die "klassischen" Solidarorganisationen – ihre eigentliche Klientel längst vergessen haben. Sie alle stricken mit an der Legende, daß Massenzuwanderung erwünscht, hilfreich, weltoffen, problemlos – und daher ach so gut sei!

Warum kommt keiner auf den – zugegeben in einem verrückt gewordenen Staat abseitigen – Gedanken, aus dem Millionenheer von Arbeitslosen nicht nur qualifizierte Fachkräfte zu gewinnen, sondern ihnen damit auch wieder eine humane Existenz zu ermöglichen? Warum ist die sich immer mehr zu einem sozialen Sprengstoff entwickelnde mangelnde Ausbildung hiesiger junger Ausländer bzw. junger Eingebürgerter für die Kommission kein Thema, wohl aber der Import zusätzlicher Auszubildender aus dem Ausland?

Albrecht Müller hat jüngst den Widerstand gewagt: Ausgerechnet im SPD-MitgliedermagazinVorwärts wirft der Ex-Wahlkampfmanager Willy Brandts und Planungschef von Helmut Schmidt seiner Partei den Fehdehandschuh hin: "Bestritten wird der Bedarf an Bevölkerungswachstum und dem daraus abgeleiteten Zuwanderungswachstum; bestritten wird der Bedarf an organisierter zusätzlicher Zuwanderung. Bestritten wird, daß wir ähnlich wie die USA und Kanada ein Einwanderungsland sein müßten. Daß wir zum wirtschaftlichen Überleben Zuwanderer bräuchten, das ist einfach eine Mär."


 
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