© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    28/01 06. Juli 2001

 
PRO&CONTRA
Grundrente einführen?
Richard Hausner / Franz Ruland

Mit der Frage der Grundrente werden mehrere, verschiedene Modelle angesprochen. In diesem Falle ist ein Rentenzuschlag für jene Leute gemeint, deren Rente unter dem sozio-kulturellen Existenzminimum bleibt. Dieser Zuschlag wird nur gewährt, wenn das gesamte Einkommen des Rentners oder Ehepaares unter der Sozialhilfe bleibt. Dies ist das Modell, das die Bundesregierung jetzt eingeführt hat. Die Kosten für diese Rente werden aus Steuermitteln, also nicht aus Beiträgen finanziert. Für dieses Modell spricht, daß damit Altersarmut beseitigt werden kann und das auch die Gefahr verdeckter Armut beseitigt wird. Darunter werden Personen verstanden, die einen Sozialhilfeanspruch haben, aber diesen nicht geltend machen, da sie nicht informiert sind, weil sie sich scheuen, zum Sozialamt zu gehen oder weil sie fürchten, daß ihre Kinder zur Rückerstattung herangezogen werden. Für diese neue Form der bedarfsorientierten Grundrente ist keine Rückerstattung seitens der Kinder vorgesehen, so daß die Rentner mit sehr geringem Einkommen nicht mehr gehindert sind, diesen Zuschlag in Anspruch zu nehmen. Hinzukommt, daß die gesetzliche Rentenversicherung verpflichtet wird, auf diese Möglichkeit aufmerksam zu machen. Allerdings werden diese Zuschläge nicht von der Rentenversicherung verwaltet, sondern von einer eigenen Abteilung der Sozialämter. Damit ist auch die Gefahr ausgeschlossen, daß in Zukunft jemand im Alter arm werden wird, wenn seine berufliche Karriere unterbrochen wird. Hinzu kommt, daß Personen, die von Geburt an oder vor ihrem Eintritt in das Erwerbsleben erwerbsunfähig wurden, also überhaupt keine Rentenansprüche aufbauen können, ebenfalls durch diesen Bedarfsorientierten Zuschlag geschützt sind. Wir haben hierin doch einen kleinen Fortschritt zu sehen im Hinblick auf die Gewährleistung eines sozio-kulturellen Existenzminimums für die alte Bevölkerung.

 

Prof. Dr. Richard Hausner ist Professor für Sozialpolitik / Wirtschaftswissenschaften der Goethe-Universität Frankfurt am Main.

 

 

Die Rentenversicherung hat sich stets gegen die Idee einer steuerfinanzierten, einheitlichen Grundrente für alle ausgesprochen. Anders als die heutigen lohn- und beitragsbezogenen Renten soll eine Grundrente lediglich eine Mindestversorgung im Alter bieten. Eine darüber hinausgehende Sicherung des Lebensstandards soll der zusätzlichen privaten Vorsorge des Einzelnen vorbehalten bleiben.

Diese notwendige ergänzende Vorsorge würden sich viele nicht leisten können, z.B. weil sie arbeitslos oder krank sind oder Kinder erziehen. Es müssten ja auch noch die bisher vom Arbeitgeber zu tragenden Beiträge gezahlt werden. In all diesen Fällen, in denen heute eine solidarische Absicherung über die Rentenversicherung erfolgt, würde sich die Sicherung auf eine Grundversorgung reduzieren.

Da jeder eine Grundrente unabhängig von seiner Vorsorge erhalten könnte, würde entgegen marktwirtschaftlichen Prinzipien Leistung nicht mehr honoriert, sondern Nichtleistung begünstigt.

Ein Blick zu unseren europäischen Nachbarn zeigt, daß auch Grundrentensysteme infolge der demographischen Belastungen und ungünstiger ökonomischer Rahmenbedingungen in große Schwierigkeiten geraten sind.

Daher ist der Gesetzgeber zu Recht der Forderung nach Einführung einer Grundrente nie gefolgt. Die neue Grundsicherung ist lediglich eine verbesserte Sozialhilfe. Durch einen Systemwechsel hin zur Grundrente würden keine Probleme gelöst, nur neue geschaffen. Unsere Gesellschaft würde viel an Solidarität verlieren, die Armut zunehmen, die Umverteilung ungerechter. Die Rentenversicherung hat in ihrer über 100jährigen Geschichte immer wieder gezeigt, daß sie sich durch Reformen im System an die sich verändernden gesellschaftlichen Rahmenbedingungen anpassen kann.

 

Prof. Dr. Franz Ruland ist Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger (VDR).


 
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