© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    28/01 06. Juli 2001

 
Unbelastet in den Lagerwahlkampf
Berlin I: Die CDU setzt mit ihrem jungen Spitzenkandidaten Frank Steffel auf ein Berliner Eigengewächs
Fritz Schenk

Es war verständlich, daß nicht nur der Berliner Landesverband, sondern die CDU insgesamt von heftigen Turbulenzen geschüttelt wurde. Was sich seit dem letzten Monat in der Bundeshauptstadt abgespielt hat, war ja nicht nur ein landespolitischer Vorgang, sondern er hatte Signalcharakter von bundespolitischer Bedeutung: Die von den Kommunisten mit allen Mitteln der Demagogie und Gewalt über Jahrzehnte bekämpfte "Frontstadtpartei SPD" stürzte mit eben diesen Kommunisten den vor zwei Jahren von den Sozialdemokraten mitgewählten (und in gemeinsamer Koalition über Jahre mitgetragenen) CDU-Regierungschef Diepgen und schickt sich an, nun mit eben diesen Kommunisten gemeinsam die wiedervereinigte Stadt zu regieren.

Und nicht nur das: Mit der Kandidatur von Gregor Gysi für die PDS ist nun gar jener rote Medienmatador angetreten, der (nicht einmal völlig illusorisch) mit dem Anspruch in den Wahlkampf geht, Regierender Bürgermeister von Berlin werden zu wollen. Das ist schon einem politischen Erdrutsch vergleichbar, wenn man bedenkt, daß er es ja (viel eher als Modrow) im Dezember 1989 hauptsächlich gewesen war, der die SED in die PDS hinübergerettet und damit ihren Fortbestand gesichert hatte. Nun plustert sich ausgerechnet dieser Tarnkappenkünstler auf, die CDU eröffne mit Hinweis auf die SED-Verbrechen einen erneuten "Kalten Krieg". Genau umgekehrt liegt der Sachverhalt: Die Anmaßung der SED-Nachfolger, die Stadt regieren zu wollen – obwohl die Wunden ihrer Gewaltpolitik noch nicht verheilt sind –, ist die Neuerklärung des "Kalten Krieges" allein durch sie!

Es war das Versäumnis der Berliner wie der CDU-Führung insgesamt, diesen wichtigsten aller Gesichtspunkte nicht von vornherein ganz deutlich herausgestellt zu haben. Denn er ist es vor allem, der die meisten Bürger der Stadt bewegt und über sie hinaus den bundespolitischen Bezug herstellt. Daher noch einmal: Daß nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden kann, daß vierzig Jahre nach dem Mauerbau der nächste Regierende Bürgermeister Berlins von der SED/PDS gestellt wird und Gregor Gysi heißt, das ist das alles andere überragende Thema dieses Berliner Wahlkampfes.

Das zweite große Thema des Wahlkampfes wird (und muß!) die Überwindung der berühmt-berüchtigten Klüngeleien, des "Berliner Filzes", sein. Dieser "Filz" geht jedoch nur bedingt auf das Konto der CDU. Er war längst etabliert unter den Diepgen-Vorgängern Albertz, Stobbe und nicht zu vergessen Momper. Da hat die ungeliebte Große Koalition nur noch eins draufgesetzt und das Faß zum Überlaufen gebracht. Auch die Finanzmisere der Stadt hatte sich längst zum Desaster ausgeweitet, sie hat der Bankenskandal lediglich zur Explosion gebracht und der SPD den willkommenen Vorwand zum Koalitionsbruch geliefert. Beides, der "Filz" wie der finanzielle Crash, gehen also ausschließlich auf die Konten von SPD und CDU. Aber: Für Auseinandersetzungen zu diesen Themen waren alle in der Öffentlichkeit gehandelten CDU-Kandidaten (Schäuble, Töpfer) eher "Berliner Notopfer". Denn auch bei diesen Problemen muß ja vor allem darauf hingewiesen werden, daß weder zur Ordnung von aus dem Ruder gelaufenen Staatsfinanzen noch zur Belebung von in die Krise geratenen Wirtschaften und schon gar nicht zum Abbau von überbordeten und verfilzten Staatsbürokratien die Kommunisten auch nur im geringsten Ratgeber oder gar hilfreiche Partner sein können.

Mit Blick auf diese Grundprobleme der Stadt sollte die Entscheidung zugunsten des jungen und vor allem unbelasteten CDU-Spitzenkandidaten Frank Steffel (35) nicht schon von vornherein als aussichtslose Nominierung abgetan werden. Wenn er sich der Herausforderung mit Engagement, Angriffsbereitschaft und Konzentration auf das Wesentliche stellt, könnte sich bald herausstellen, daß er dem Tausendsassa Klaus Wowereit (47) durchaus gewachsen ist. Und was sich mit Gewißheit herausstellen wird, ist, daß Wowereit mit dem Genossen Gysi eine viel unangenehmere Konkurrenz zuwächst, als er und seine Antreiber aus der SPD-Spitze sich das vorher überlegt zu haben scheinen.

Wowereit wird jedenfalls die Geister, die er und seine Parteivorderen gerufen haben, so schnell nicht wieder loswerden. Denn an demagogischer Unverfrorenheit und rhetorischer Rabulistik sind Gysi und die jetzige PDS-Führung den übrigen (West-)Berliner Parteistrategen allemal überlegen. Und damit hat er – man achte nur auf den Fernsehrummel, der seit seiner "Antrittserklärung" um ihn gemacht wird – die Allmacht und Überlegenheit der Bildschirme auf seiner Seite. Die SED hat ihre Niederlage von 1989/90 noch lange nicht verwunden und daher nur ein Ziel: es vor allem ihren verachteten, vom rechten sozialistischen Weg abgewichenen "Klassenverrätern" heimzuzahlen. Da ist es geradezu lächerlich, mit welcher Verbissenheit in der CDU nun wieder eine Führungs-, Programm-, Strategie- und welche Grundsatzdebatten auch sonst noch entbrannt sind. Mit der Hinnahme der PDS als "ganz normaler deutscher Partei" und der Bescheinigung ihrer Koalitionsfähigkeit im demokratischen Parteienspektrum ist es mit argumentativen Wahlkämpfen in Deutschland vorbei!

Das war viel anders schon nicht beim letzten Bundestagswahlkampf nach der "Methode Schröder". Doch jetzt werden nur noch die Holzhämmer dominieren – und je schneller CDU-Kandidat Steffel damit umzugehen lernt und sich dabei vor allem von Klugschwätzern aus der alten Geißler-Riege und von jenen entfernt, die aus dem vermeintlich konservativen Lager die Linken schon immer links überholen wollten, je weniger aussichtslos werden seine Chancen sein.

 "Vielleicht in Wladiwostok." CDU-Spitzenkandidat Frank Steffel auf die Frage des "Bayernkurier", ob Gysi Regierender Bürgermeister wird.

 

Frank Steffel, Ehefrau Katja: Mit 328 von 340 Stimmen wurde der 35jährige Unternehmer vergangenen Samstag auf einem Sonderparteitag offiziell zum Spitzenkandidaten der Berliner CDU gewählt.


 
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