© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    28/01 06. Juli 2001

 
Kolumne
Gut so
von Heinrich Lummer

Mit dem Journalismus in Deutschland ist es nicht zum Besten bestellt. Die Ursachen für die Krise sind vielfältig: Ein großer Teil der Journalisten sieht seine Hauptaufgabe nicht in der Information der Bürger, sondern in der Mission. Sie wollen überzeugen. Da sie zu zwei Drittel links sind (Noelle-Neumann), leisten sie linke Überzeugungsarbeit. Und das ist nicht gut so. Ein anderer Grund ist in der Ausweitung der Medien zu sehen. Ein Blick auf die Kanäle des Fernsehens und die Kioske der Blätter macht deutlich: Hier gibt es eine schier unübersehbare Masse. Die Zahl der Journalisten wächst entsprechend. Mit dem schnellen Wachstum sinkt die Qualität. Mit der Masse steigt der kommerzielle Druck. Nicht die Qualität ist gefragt, sondern die Quote. Denn die braucht man zum Überleben. Die Quote aber orientiert sich am Geschmack der Massen. Kein Sender ohne geldwerte Wettveranstaltung, keiner ohne Talkshow. Massenhaft Sendungen, in den man sich outet. Die Verdrängung des Beichtstuhls (mit Beichtgeheimnis) führte über die Couch des Psychiaters zur öffentlichen Sendung. Jeder zieht sich aus, so gut er kann. Dort mag man sich als Schwuler outen. Aber man sollte nicht sagen, das ist gut so.

Entertainer wurde zum neuen Beruf. Die Politik zeigt die Reflexe. Nicht mehr das miese Programm der PDS steht zur Diskussion, sondern der Entertainer Gysi. Der Spaßmacher ist gefragt. Die Dokumentationen wurden oberflächlicher. Die Kommentare der Journalisten werden immer rotziger. Kurz: Der Druck der Quoten drückt die Qualität. Vermeintlich, weil die Masse es so will. Wenn das keine Krise ist.

Die Frage stellt sich: Wer kontrolliert die Kontrolleure? Da gibt es den Presserat. Der beschäftigt sich wieder mit den offenkundigen Fehlleistungen der Medien. Etwa gegen Bild und die Süddeutsche im Falle des kleinen Joseph. Aber der Presserat ist wirkungslos. Der Abdruck seiner Wertung ist wertlos. Papier ist geduldig. Sanktionieren müßte er können.

Und zwei Dinge sind unerläßlich für eine Lösung: Eine bessere, vielleicht überhaupt eine Ausbildung für Journalisten und ein Berufsethos. Das müßte der Berufsstand selber leisten. Tut er es nicht, wird irgendwann der Staat gefragt. Und das wäre nicht gut. Gewiß bedarf es der freien Presse im demokratischen Staat. Bei uns ist sie so frei, daß sie zuweilen moralisch hemmungslos wird. Und eine Krähe hackt der anderen bekanntlich kein Auge aus. Wenn die Kontrolleure zu einer soliden Selbstkontrolle unfähig sind, dann ist Gefahr im Verzuge. Schade. Denn das ist gar nicht so gut.

 

Heinrich Lummer, Berliner Innensenator a.D., war bis 1998 Bundestagsabgeordneter der CDU.


 
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