© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    29/01 13. Juli 2001

 
Hartmut Mehdorn
Fliegender Sanierer
von Christian Vollradt

In der vergangenen Woche verkündete Hartmut Mehdorn die ab Herbst 2002 geltenden Fahrpreistarife des Unternehmens. Seiner Beteuerung, daß damit keine verdeckte Preiserhöhung einhergehe, wurde allgemein Glauben geschenkt, Presse, Politik und Verbraucherverbände waren des Lobes voll.

Aber ist nicht Vorsicht geboten, wenn ein "fremder Onkel" scheinbar uneigennützig Geschenke offeriert? Zumal von Mehdorn noch der Satz in den Ohren klingt: "Die Bahn macht nur noch, was sich rechnet." Das hatte der neue Bahnvorstand verkündet, um den Ausstieg aus dem Projekt Transrapid zu begründen, dessen Verwirklichung auf deutschem Boden damit als gescheitert galt.

Der Manager Mehdorn schaffte vollendete Tatsachen, wo zuvor die Politik sich über Jahre in Streitereien erging. Gibt man sich der Spekulation hin, die Tarifreform der Bahn sei mit der Biographie ihres Vorstandsvorsitzenden verknüpft, sticht als einzige positive Neuerung die Familien-Bahncard hervor, die der 1942 in Berlin geborene dreifache Vater bescherte. Daß Mehdorn seine berufliche Karriere 1964 als Ingenieur bei den Bremer Vereinigten Flugzeugwerken begann, könnte die der Luftfahrt entlehnten Änderungen für den Fernverkehr der Bahn erklären: Frühbucherrabatt, begrenzt auf ein bestimmtes Kontingent an Zügen, sowie die Verteuerung des Fahrpreises während der Hauptverkehrszeiten. Wieder verschiebt sich damit das Selbstverständnis des Noch-Staatsbetriebes ein Stück weiter vom hoheitlichen Versorger zum marktwirtschaftlichen Dienstleister. Nach außen spürbar war die "Modernisierung" bisher vor allem durch anglisierende Sprachkosmetik, die aus dem Schaffner das "ICE-Team" und aus der Fahrplanauskunft den "Service Point" machte. Dem auf den Nahverkehr angewiesenen Pendler wird nach der aktuellen Fahrpreisreform klarwerden, daß Hartmut Mehdorn in seinem beruflichen Wirken dem Air- näher als dem Schienenbus stand.

Einen Ruf als Sanierer erwarb sich Mehdorn ab 1995 in der Heidelberger Druckmaschinen AG, für die er nach seinem Ausscheiden aus dem Luftfahrt-Konzern Dasa tätig war, und die dabei erworbenen Meriten waren sein Startkapital an der Spitze des Schienen-Monopolisten. Im vergangenen November mußte der Bahnchef den eigenen hoffnungsvollen Prognosen für einen Börsenstart im Jahre 2004 einen kräftigen Dämpfer verpassen: Statt der im Jahr 2000 erwarteten 2,4 Milliarden Mark Überschuß wird das Unternehmen voraussichtlich eine halbe Milliarde Mark Verlust einfahren. Allein Öko- und Mineralölsteuer schlagen auf der Kostenseite mit über 800 Millionen Mark zu Buche. Mehdorn verlangte daraufhin vom Bund ein größeres finanzielles Engagement zur Renovierung des Streckennetzes, dessen Ausgliederung aus der Bahn AG er bisher entgegen den Wünschen seines Verkehrsministers zu verhindern wußte.


 
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