© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    29/01 13. Juli 2001

 
Maschinengestrickt
Kino: "Im Netz der Spinne" von Lee Tamahori
Claus-M. Wolfschlag

Kriminalpsychologe Dr. Alex Cross (Morgan Freeman) hat bei einem brisanten Einsatz seine Partnerin verloren. Ein Grund, sich, von eigenen Schuldgefühlen geplagt, vom Dienst zurückzuziehen. Gegen seinen Willen wird er allerdings acht Monate später in einen spektakulären Entführungsfall verwickelt. Die Tochter des prominenten Senators Hank Rose (Michael Moriarty) wurde von ihrem Lehrer Gary Soneji (Michael Wincott) entführt. Cross ist der einzige, mit dem der scheinbar geistig gestörte Soneji telefonischen Kontakt aufzunehmen bereit ist. Mit-Leidtragende des Geschehens ist die Geheimdienst-Agentin Jezzie Flannigan (Monica Potter), die für die Sicherheit des kleinen Mädchens verantwortlich war. Da Flannigan den als Lehrer getarnten Entführer als einzige der Ermittler persönlich kennengelernt hatte, bindet Cross die junge Frau auch gegen FBI-Einsprüche in seine Untersuchungen ein. Sonejis Motiv scheint in seinem krankhaften Verlangen nach Aufmerksamkeit zu liegen. Als dann aber eine ominöse Lösegeldforderung eintrudelt und Leichen den Weg des Entführers säumen, droht sich die Situation prekär zuzuspitzen und undurchsichtig zu werden.

Nach der Vorlage von James Pattersons Roman "Along Came a Spider" schlüpfte Morgan Freeman zum zweiten Mal in die Rolle des Kriminalpsychologen Alex Cross. Erstmalig spielte Freeman diesen 1997 in dem Paramount-Streifen "Denn zum Küssen sind sie da", an der Seite von Ashley Judd. Der dreifach Oscar-nominierte Freeman gilt als einer der erfolgreichsten Schauspieler der Gegenwart. Seinen Durchbruch erlebte er 1987mit dem Kinofilm "Glitzernder Asphalt". Auch als Regisseur, Fernseh- und Theaterdarsteller konnte er bereits Beachtung finden. Vor einem Jahr – dies als Randnote – antwortete er zudem in einem Interview mit einer übereifrigen deutschen Journalistin erfrischend nüchtern und unhysterisch auf Fragen nach einem angeblich in Deutschland grassierenden Rassismus. Auch im nun erschienenen Streifen des neuseeländischen Regisseurs Lee Tamahori ("Die letzte Kriegerin", "Nach eigenen Regeln") kann Freeman sein Können unter Beweis stellen. In meisterhafter Harmonie spielt er den ausgeglichenen, ruhigen Denker mit melancholischem Unterton, setzt sich dabei wohltuend unmodern von den actiongeladenen Moral- und Racheattitüden seines Schauspiel-Kollegen Samuel L. Jackson ab.

Ansonsten bietet die Verfilmung des Romans von James Patterson, Chef einer großen New Yorker Werbeagentur, wenig Reibefläche. Glatt inszeniertes mainstream-Kino erwartet den Besucher. Nichts wirklich Unerwartetes passiert. Das "Netz der Spinne" scheint aus dem Baukasten gängiger Drehbuchratgeber entnommen. Die Geschichte erweist sich als Stückelei bereits zahlreich gesehener Klischees: Der verbitterte Ruheständler, der die Schuld am Tod seines Partners nicht verkraftet hat. Der psychopathische Kriminelle, der den alten Knaben noch einmal herausfordern möchte. Der neue Partner, mit dem irgend etwas nicht zu stimmen scheint. Der autoritäre und aktionsfreudige, aber geistig letztlich unterlegene FBI-Chef.

"Im Netz der Spinne" ist sicherlich halbwegs glaubwürdig und professionell inszenierte Krimiunterhaltung, doch diese präsentiert sich vergleichsweise eindimensional, weder verschwörungslastig (wie der Titel suggerieren könnte) noch besonders wendungsreich. Es bleibt abzuwarten, wie viele Kinobesucher sich in diesem etwas phantasielos gesponnenen Netz verfangen werden.


 
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