© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    30/01 20. Juli 2001


Kampf um die Moral
von Steffen Königer

Durchgesetzt hat er sich immer, der scheidende Präsident des Internationalen Olympischen Komitees. Juan Antonio Samaranch hielt sich selten bedeckt, wenn es um die Bewerbung von Städten zu Olympischen Spielen ging. So auch im Falle Pekings, dessen Bewerbung er vorweg beste Chancen einräumte. So konnte sich Chinas Hauptstadt schon im zweiten Wahlgang mit absoluter Mehrheit durchsetzen – ein Novum bei Entscheidungen des IOC.

Waren die Wahlen in der Vergangenheit immer im nachhinein von Skandalen geprägt, ist diesmal das Vorfeld um so spannender gewesen. Wer sich da nicht plötzlich alles an die Verbrechen Chinas erinnerte, die noch vor Monatsfrist wirtschaftlichen Interessen nicht entgegenstanden! Sind doch Olympische Spiele ein Leckerbissen der besonderen Art. Insbesondere dann, wenn mit Toronto eine Stadt ins Rennen geht, die zeitzonentechnisch interessanter für manches Medienunternehmen aus den USA erscheint als das ferne China. Da werden potentielle Kunden der Wirtschaft plötzlich zu Gegnern. Was also tun? Richtig, die Propagandamaschine anwerfen, um die Spiele wenigstens auf denselben Kontinent zu holen. Dies ging diesmal schief.

Erwähnenswert sind Reaktionen der deutschen Regierung, allen voran die der Grünen. Man überschlägt sich förmlich vor Begeisterung, nun die Demokratie endlich nach China tragen zu können. Da werden 3.000 Hinrichtungen im Jahr und die Verfolgung von Andersdenkenden zu reiner Marginalität. Es lebe der Sport!


 
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