© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    30/01 20. Juli 2001

 
Was ist uns Schlesien wert?
von Ekkehard Schultz

Ob Bundesinnenminister Schily wirklich die Pfiffe und Buhrufe der Teilnehmer des Schlesier-Treffens vom vergangenen Wochenende in Nürnberg zum Nachdenken veranlaßt haben, ist äußerst fraglich. Eher dürfte ihm sein Auftritt vor zehntausenden Besuchern die Genugtuung gebracht haben, zum wiederholten Male in der "Höhle des Löwen" allen Anfeindungen standgehalten zu haben.

Die Mehrzahl der deutschen Medien wertete den Vorgang allerdings weniger gelassen: Die Pfiffe sprächen für eine problematische konservativ-reaktionäre Grundhaltung der Landsmannschaften. Die Gespenster der Vergangenheit – anscheinend spuken sie immer noch.

Tatsächlich treten die meisten Vertriebenen ihre Fahrt zu den jährlichen Treffen weniger aus politischen Gründen an, sondern aus Liebe zur Heimat und den damit verbundenen Kindheits- und Jugenderinnerungen sowie zum Wiedersehen langjähriger Bekannter. Durch die zwanghafte Verklammerung mit der Kohlschen CDU in die politische Bedeutungslosigkeit verdammt, durch den pauschalen Verweis auf vermeintliche NS-Verstrickungen ihrer historischen Erinnerungen beraubt, durch den Mangel an Nachwuchs hoffnungslos überaltert, haben die Vertriebenverbände lediglich auf kulturellem Gebiet als Träger nationaler Erinnerung noch eine gewisse Bedeutung.

Innenminister Schily kann also beruhigt weiteren Auftritten entgegensehen. Die letzten Schritte zur Kaltstellung eines ungeliebten Relikts haben seine schwarzen Vorgänger bereits längst vollzogen.


 
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