© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    30/01 20. Juli 2001

 
Nichts als heiße Luft
Umweltschutz: Weltklimakonferenz in Bonn / Harte Kritik am "American way of life" / Wirtschaftswachstum statt Klimaschutz
Volker Kempf

Ein Gipfel für Karikaturisten könnte die Klimakonferenz in Bonn werden, wenn die Anreise der Teilnehmer aus 180 Staaten und der dazugehörigen Pressevertreter mehr Energie verbrauchen, als durch die Konferenzverhandlungen letztlich eingespart wird. Alle reden miteinander, Kalenderjournalisten haben einen Anlaß, etwas über die Umwelt zu schreiben, und das war’s.

Eine ganze Orgie aus Klimakonferenzen begann 1992 in Rio de Janeiro. Hintergrund war damals, daß in Brasilien der Regenwald gerodet wird, der für die Stabilisierung unseres Erdklimas immens wichtig ist. Das Konzept der nachhaltigen Forstwirtschaft kam auf den Plan, das Brandrodungen und Raubbau an der "grünen Lunge" ersetzen sollte. Dieses Konzept sollte in Rio gar auf das Wirtschaften schlechthin übertragen werden. Nur noch soviel Rohstoffe und Energie sollten verbraucht werden, wie nachwächst, was bereits der erste Selbstbetrug war. Denn Rohstoffe, auch Öl und Gas, wachsen nicht nach wie die Bäume im Wald. Die Belastung und Entlastung der Umwelt hängt noch immer von drei miteinander verbundene Einflußgrößen ab: Das ist die Bevölkerungsdichte auf der Erde in Abhängigkeit zum Konsum pro Kopf sowie zum Stand der eingesetzten Technik. Der Konsum ist weltweit gewachsen, auch bei uns, so daß das Wirtschaftswachstum alle gegenläufigen Maßnahmen verzehrt. Hinzu kommt eine wachsende Zahl von Menschen. Selbst in Deutschland, wo der Energieverbrauch pro Kopf beträchtlich ist, soll die Bevölkerung durch Einwanderung möglichst noch wachsen. Vor diesem Hintergrund hätte längst eine Bevölkerungskonferenz das Umweltthema eingehend behandeln müssen. Doch nichts dergleichen. So hoffen alle auf die Technik, ganz so, als seien die Ingenieure bisher nur zu dusselig gewesen, deutlich effizientere Technologien in die Welt zu setzen. Die Sonne soll es letztlich richten. Manche wollen Energie gar aus dem Nichts erzeugen. Doch dazu bemerkte schon Konrad Lorenz, daß mit einer solchen Energie die Erde nur umgepflügt und vernutzt werden würde.

Viel Phantasie und Träumerei, ja auch pseudoreligiöse Erlösungswünsche spielen eine Rolle, wo immer vom Kampf des Menschen gegen die Vernichtung seiner eigenen ökonomischen Grundlagen, also der Natur und Umwelt, die Rede ist. In das Reich der Phantasten gehörte auch das 1997 in Kioto aufgestelltes Klimaprotokoll. Das Gastgeberland Japan etwa hat seither einen real existierenden Anstieg der Kohlendioxyd-emissionen (CO2) zu verzeichnen, statt eins Rückganges wie ursprünglich angestrebt. Die Wirtschaftsmacht USA steht nicht besser da, sondern lehnt es gleich ab, als könne man Wirtschaftswachstum und Energieeinsparung unter einen Hut bekommen. Ersteres ist das Ziel – aller Staaten –, dafür wird letzteres geopfert. So ist das auch in Brasilien, wo die Idee der nachhaltigen Entwicklung zum Tragen kommen sollte. In der Realität investiert das Land in weitere Rodungsmaßnahmen, in Urbanisierung, Straßenbau – nicht jedoch in den Umweltschutz.

Und daß Deutschland sein Klimaschutzziel verfehlt, bis 2005 die Emissionen im Vergleich zu 1990 um 21 Prozent zu reduzieren, steht jetzt schon fest. Was hieße die Erhüllung dieses selbstgesteckten Zieles beispielsweise für die Haushalte? Eine dreiköpfige Familie, die in das 1.250 Kilometer entfernte Mallorca fliegt, erzeugt durch den Energieverbrauch des Fliegers 0,78 Tonnen Kohlendioxyd.

Der Pkw setzt bei 10.000 gefahrenen Kilometern weitere 1,6 Tonnen des besagten Gases in die Luft. Heizung, Nahrung und Konsumgüter benötigen gar 20,3 Tonnen. Die Musterfamilie müßte also, um 21 Prozent Kohlendioxydausstoß einzusparen, das Konto um 4,8 Tonnen aufbessern. Streicht sie etwa die Flugreisen und schafft das eigene Auto ab, würden bestenfalls 2,38 Tonnen Kohlendioxyd eingespart werden. Das eingesparte Geld würde zudem weder verbrannt noch in Klimaschutzprojekte investiert werden – das wäre zuviel verlangt. In der Folge stiege der Konsum an und damit wieder die CO2-Emission. Der Familienanteil zum Klimaschutzziel wäre also verfehlt. Daran ändert selbst die umweltfreundliche Einstellung der Musterfamilie nichts, die Auto und Flugzeug gegen das Fahrrad einzutauschen bereit war. Empirische Untersuchungen haben denn auch längst ergeben, daß Ökobewußtsein und Umweltbilanz keinen nennenswerten Zusammenhang aufweisen. Das heißt, so zynisch es klingt: Am umweltfreundlichsten ist der arme Bettler auf der Straße, auch wenn er an Umweltschutz gar nicht interessiert ist.

Nicht nur, daß Orkane, die Ausbreitung der Wüsten, Überschwemmungskatastrophen wachsende Ausmaße annehmen. Die Rossourcenverknappung wird auch Konflikte mit sich bringen, zunächst in den weniger wohlhabenderen Staaten. Auf die Umwelt wird dann noch weniger Rücksicht genommen, wie auch schon jetzt immer mehr Fische den Meeren entzogen werden, je mehr Menschen diesen Planeten bevölkern; schon jetzt sind rund 50 Prozent überfischt. Und Zahlen über das Bevölkerungswachstum wurden in den letzten Monaten immer wieder nach oben korrigiert; die Weltbevölkerung wächst weniger langsam als vermutet. Eine Weltbevölkerungskonferenz wäre vor diesem Hintergrund wohl vielversprechender als eine Klimakonferenz, wo doch alle Staaten, je schwieriger Wachstumszahlen zu erreichen sind, um so leichtfertiger den Planeten plündern – die USA machen es ohne verklausulierende Forderungen, die wirkungslos auf dem Papier stehen, vor. Ferner ist ein Katastrophengipfel nötig, der die Konflikte zu managen sucht, die mit der Abnahme der Lebensgrundlagen zunehmen.

Das wäre ehrlicher, als Klimaziele in die Welt zu setzen, die ohnehin keiner befolgt, Deutschland auch nicht.
 
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