© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    30/01 20. Juli 2001

 
Meldungen

Gründe für objektiven Antiamerikanismus

BONN. Unter Intellektuellen der Bundesrepublik gehört es zum guten Ton, Kritik an der Politik und dem Gesellschaftsmodell der USA als "subjektiven Antiamerikanismus" zu perhorreszieren. In den linksliberalen Blättern für deutsche und internationale Politik (Heft 6/01) wagt der US-Kolumnist William Pfaff für deutsche Leser scheu anzudeuten, daß es auch "objektive Gründe" für den Antiamerikanismus geben könne. Sie seien in den politischen Konzepten und Praktiken zu finden, die man im Ausland als "Schädigung legitimer Interessen anderer Staaten oder internationaler Verhaltensregeln" betrachte oder die die "internationale Gesetzlosigkeit" förderten. Mit Blick auf Bushs Anti-Kyoto-Politik, die Washingtoner Ablehnung des Internationalen Strafgerichtshofs, die Weigerung, den Vertrag zum Verbot von Landminen zu unterzeichnen, und das Dauerveto gegen UN-Versuche, Israels Terror in den palästinensischen Autonomiegebieten zu sanktionieren, gerate "objektiver Antiamerikanismus" wahrlich nicht in Argumentationsnot.

 

Autoritäre Kontinuität in Südostasien

MÜNCHEN. Die Pfade der Demokratisierung sind verschlungen und facettenreich. Zu diesem Fazit gelangt der Freiburger Politikwissenschaftler Jürgen Rüland in seiner Studie über "Demokratisierung in Südostasien" (Zeitschrift für Politik 1/01). Gleichwohl riskiert er Szenarien für die politische Entwicklung in diesem Teil der Welt. Demnach werden Thailand und die Philippinen, nach dem Vorbild von Indien und Sri Lanka, im Bereich der Insulinde wohl den liberal-demokratischen Weg alleine beschreiten. In Malaysia und Indonesien deute hingegen viel auf "autoritäre Kontinuität" hin. Dabei könne sich ein eigenes Kapitalismusmodell etablieren, das vor allem in Indonesien die größten Chancen habe, wo eine tiefverwurzelte antikapitalistische Grundstimmung für das Ziel einer islamischen Gesellschaft "oder gar eines islamischen Staates" gewonnen werden könne. Für dieses 100-Millionen-Volk prophezeit Rüland darum sogar eine "autoritäre Restauration nach einem Militärputsch". Daß es dazu noch nicht gekommen sei, dürfte allein der inneren Fragmentierung der Streitkräfte zuzuschreiben sein. Ebenso verhindere die Vielschichtigkeit des indonesischen Islam radikale Varianten eines Gottesstaates zwischen Sumatra und Neuguinea.

 

Reiseliteratur: Freiräume im totalitären Staat

TÜBINGEN. Neue Literatur über das Reisen stellt die Würzburger Philosophin Irmgard Scheitler im Internationalen Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur (Heft 2/00) vor. Daß die Frauenforschung mittlerweile auch auf dieses Terrain vorgestoßen ist, vermag Scheitler nach der Lektüre einer Berliner Dissertation über "Reiseberichte deutscher Frauen (1920–1945)" nicht als Gewinn zu verbuchen. Denn hier machen sich wieder penetrant "moralische Wertungen" bemerkbar, wie sie dieser politisch forcierten Disziplin nun einmal eigen sind. Wo auf ideologische Schablonen verzichtet wird, kann Scheitler hingegen erstaunliche Forschungsresultate referieren. Zeigen doch Untersuchungen zur Reisekultur des Dritten Reiches, wie wenig diese Ära der "deutschen Rationalisierung" mit den gängigen Guido-Knopp-Klischees über "finstere Zeiten" zu tun hat. Anders wäre der "gewisse Freiraum" in den Feuilletons einer keinesfalls gleichgeschalteten Presse nicht zu erklären. So konnte etwa Gustav R. Hocke, der Essayist und Feuilletonchef der auch nach 1933 weiterhin bürgerlich-liberalen Kölnischen Zeitung, in seinem Paris-Bericht von 1937 "mit deutlicher Kulturkritik den französischen ’Erbfeind‘ als Vorbild für Deutschland, als Antipoden des als dekadent empfundenen Mystizismus" im NS-Reich darstellen.


 
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