© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    31-32/01 27. Juli / 03. August 2001

 
Balkanunion als Trostpflaster
EU-Erweiterung: CDU-Papier für eine Südost-Europäische Union sorgt für Entsetzen bei EU-Aspiranten
Ivan Denes

Drei namhafte Mitglieder der CDU/CSU Bundestagsfraktion – der au-ßenpolitische Sprecher Karl Lamers, Peter Hintze (EU-Politik) und Klaus-Jürgen Hedrich (Entwicklungspolitik) – haben letzte Woche ein programmatisches Papier vorgelegt: "Eine Perspektive für den Balkan – Überlegungen für eine Südost-Europäische Union".

Die Autoren gehen von der Voraussetzung aus, daß eine "selbsttragende politische Ordnung" für die Befriedung und die Stabilisierung des Balkans unentbehrlich sei. Sie unternehmen eine relativ sachliche Bestandsaufnahme der Situation im ehemaligen Jugoslawien und führen dabei die potentiellen negativen Auswirkungen des status quo auf. "Das Bestehende ist nicht identisch mit dem Stabilen", stellen sie fest. Bei der Deutung des "Bestehenden" unterlaufen ihnen allerdings einige Fehler. So etwa findet die bosnische "Republika Srbska" im Papier der Drei einfach nicht statt – genau so wenig wie die Unabhängigkeitsbestrebungen der Herzegowina-Kroaten. Der Grund dafür liegt auf der Hand – die Autoren meiden wie der Teufel das Weihwasser eine offene Kritik am US-Amerikaner Richard Holbrooke – dem Autor des Dayton-Abkommens – und meiden bei der Ursache-Wirkungs-Analyse eines der wichtigsten Themen: das totale Unverständnis der USA gegenüber den Balkan-Problemen. US-Politiker und Diplomaten, die aufgrund der Machtpolitik ihres Landes leider auch in Südosteuropa ein entscheidendes Wort zu sagen haben, denken nicht in historischen Kategorien, sondern sie träumen von einem amerikanischen melting pot auf dem Balkan. Die drei Unionspolitiker erkennen sehr wohl worum es geht, nur beschränken sie sich auf eine sybillinische Umschreibung – sie reden von einer "falschen Wahrnehmung der Natur" der Balkankonflikte. Der "Westen" (sie meinen wohl Joschka Fischer und Ex-US-Außenministerin Madeleine Albright) gehe von der "irrigen Annahme aus, die Völker auf dem Balkan lebten in der postnationalen Zeit Westeuropas".

Die Lösung aller Balkan-Probleme sehen die drei Autoren in der Bildung einer Südost-Europäischen Union (SOEU) durch den Ausbau des Stabilitätspaktes. Er müsse politisch "ausgerichtet" und "institutionalisiert" und zur SOEU weiterentwickelt werden. Und bei der Konkretisierung dieser naiven Vorstellung begehen die Autoren ihren fatalen faux-pas: Sie nennen die Teilnehmer ihrer SOEU: die aus Ex-Jugoslawien hervorgegangenen Staaten, sowie Albanien, Rumänien, Bulgarien, Ungarn und Griechenland. Griechenland ist bereits EU-Mitglied, Ungarn und Slowenien werden ab 2004 folgen. Und dann kommt der Paukenschlag: "Für die anderen gilt, daß ihre vorherige Mitgliedschaft in der SOEU Bedingung für eine spätere Mitgliedschaft in der EU ist und diese beschleunigt."

Mit anderen Worten – so wurde von Medien und Politikern speziell in Bukarest und Sofia der Vorschlag verstanden – alles was bisher in Brüssel mit Bulgarien und Rumänien über den Beitritt der beiden Länder, bzw. die Übernahme des acquis communautaire verhandelt wurde, die Aussicht auf direkte Aufnahme in die EU (wie spät auch immer) sei nichts weiter als Lug und Trug gewesen. Zuerst sollen die besagten Länder beim Wiederaufbau der noch rauchenden Ruinen, die der Bürgerkrieg in Ex-Jugoslawien, hinterlassen hat, mitwirken. Mit diesem einem Satz hat die CDU für lange Zeit alle Sympathien in Bukarest, Sofia, aber auch in Zagreb verspielt. Und EU-Erweiterungskommissar Günter Verheugen (SPD) wird alles auszubaden haben.


 
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