© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    31-32/01 27. Juli / 03. August 2001

 
Die Titanic der Lüfte kommt 2006
Verkehrspolitik: Der neue A380 wird das größte Passagierflugzeug aller Zeiten / Japaner arbeiten an Concorde-Nachfolger
Volker Kempf

Eine Meisterleistung der Ingenieurs kunst wird der A380. Im Jahr 2006 soll dieses europäische Flugzeug abheben – erste Bestellungen liegen von den Singapur Airlines vor. Die Entwicklungskosten sind mit 24 Milliarden Mark ebenso rekordverdächtig wie der Stückpreis von rund 230 Millionen US-Dollar. Die Kunden erhalten dafür ein Flugzeug, das in seiner Klasse konkurrenzlos ist: je nach Ausstattung bietet es 555 bis 840 Plätze, hat eine Reichweite von bis zu 15.000 Kilometern und fliegt knapp 1.100 Stundenkilometer schnell. Die Boing 747 faßt höchstens 500 Passagiere, fliegt 6.460 Kilometer weit und verfügt über eine Reisegeschwindigkeit von 940 km/h. Die Betriebskosten sollen beim A380 je Fluggast fast 20 Prozent unter denen der 747 liegen. Neue Triebwerke machen das möglich; auch neue Materialien haben ihren Anteil: sie sorgen für ein optimiertes Verhältnis des Flugzeuggewichtes zur Passagierzahl und zum hohen Bordkomfort. Dabei ist der Airbus mit 286 Tonnen Leergewicht noch immer deutlich schwerer als der Klassiker aus den USA mit 167 Tonnen.

Im Jahr 2002 werden über 3.800 Entwickler versuchen, drei Millionen Einzelteile sinnvoll zusammenzufügen. 1.800 Firmen in aller Welt verdienen an diesem Projekt, allein in Europa 1.000. Auf 1.550 verkaufte Exemplare hofft Airbus in den Jahren 2006 bis 2026 zu kommen; Boeing rechnet mit kaum mehr als 500 Aufträgen, die die Konkurrenz, also Airbus, einstreichen wird und hat es aufgegeben, an einem ähnlich ehrgeizigen Projekt zu arbeiten.

Wie immer das Vorhaben der Europäer in betriebswirtschaftlicher Hinsicht ausfallen wird: Es wird, wie das Technikmagazin P. M. in seiner Juli-Ausgabe wegen physikalischer Grenzen spekuliert, in diesem Jahrhundert das größte Passagierflugzeug bleiben. Damit der A380 aber nicht nur ein Fall für das "Guiness-Buch der Rekorde" wird, sondern auch finanziell hoch hinaus fliegt, hofft Hersteller Airbus darauf, ein neues Potential an Fluggästen zu erschließen.

Die Errungenschaft, energiesparsamer denn je Langstreckenflüge zurückzulegen, hat auch Schattenseiten. Mehr Menschen wird ermöglicht, rund um den Erdball zu düsen. Die Plünderung der Erdölvorräte wird forciert. Sparsame Technik wird so zu einem Pyrrhussieg für die Umwelt. Technik löst eben noch immer nur technische Probleme. Das hat bereits die Entwicklung von sparsameren Automotoren gezeigt: Mit dem abnehmenden Energieverbrauch pro PS packte der nach wie vor steinzeitliche Mensch eben mehr Pferdestärken unter die Motorhaube. Auf der anderen Seite können sich sparsame Autos diejenigen leisten, die sich sonst keines leisten könnten. Die Folge ist, daß sich eine ganze Autolawine über Deutschland ergießt.

Paradoxerweise beklagen gerade die Deutschen weltmeisterlich Umweltprobleme; an der Spitze rangiert mit 49 Prozent der Klimawandel, vor BSE, Kriminalität und Radioaktivität – laut aktueller Umfrage der Akademie für Technikfolgenabschätzung in Stuttgart. Gleichzeitig sind die Deutschen Weltmeister im Reisen mit Flugzeug und Auto, was den Klimawandel befördert. Die Leitkultur unseres Zeitalters heißt: "schneller, größer, weiter". Sparsamkeit ist hierbei nur Mittel zur Erfüllung dieser Maxime.

In Sachen Schnelligkeit wollen unterdessen die Japaner neue Maßstäbe setzen. Die japanische Raumfahrtbehörde entwickelt derzeit einen NEXST-1 (National Experimental Suspersonic Transport). Die Maschine, die nicht vor 2020 einsatzbereit sein wird, soll 2.400 Kilometer pro Stunde, – mehr als doppelte Schallgeschwindigkeit – erreichen. Das ist zehn Prozent schneller als die Concorde; die Reichweite wird gar 11.000 Kilometer betragen und so den britisch-französischen Klassiker um den Faktor zwei übertreffen. Auch beim NEXST-1 wird ein geringerer Treibstoffverbrauch angekündigt, was dazu führen wird, daß auch im Überschallflug neue Passagierpotentiale erschlossen und steigende Ölpreise kompensiert werden; der Stickstoffausstoß pro Fluggast wird im Vergleich zur "Dreckschleuder" Concorde 75 Prozent niedriger ausfallen. Die Flughöhe des japanischen Überschallflugzeuges beträgt allerdings 20.000 Meter und erreicht damit die Ozonschicht – die Concorde fliegt nur 15.600 Meter. In diesen Höhen ist die Lufthülle der Erde besonders dünn, so daß Schadstoffe schwerer wiegen. Die im Personenluftverkehr übliche Reisehöhe liegt bei 9.000 bis 13.000 Metern.

Der Flugverkehr trägt nach heutigem Erkenntnisstand durch den Ausstoß von Kohlendioxid (CO2), Wasserdampf (Kondensstreifen) und Stickoxide in der Summe zu etwa vier Prozent zum zusätzlichen Treibhauseffekt bei und wird nach Schätzungen des IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) bis 2050 auf sechs Prozent ansteigen. Doch der Anteil am Treibhauseffekt durch das Flugzeug ist, gerechnet pro Personenkilometer, dramatischer als bei anderen Verkehrsmitteln: Eine dreiköpfige Familie verursacht bei einem Flug zu den kanarischen Inseln die zehnfache CO2-Menge wie bei einer Bahnreise in die Toskana. Daran wird weder der A380 noch das NEXST-1 etwas ändern. Im Gegenteil, die zivile Luftfahrt wird weiter ansteigen.


 
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