© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    31-32/01 27. Juli / 03. August 2001

 
Pankraz,
W. Wiedeking und die guterzogenen Aktionäre

Deutschlands attraktiv ster Wirtschaftsmana ger ist zur Zeit zweifellos Porsche-Chef Wendelin Wiedeking. Sein Unternehmen steht nicht nur blendend da, sondern der Mann versteht es auch, in fast optimaler Weise mit den Politikern und der Presse umzugehen, sagt eine Menge unbequemer Sachen und wagt sogar, der Börse den Fehdehandschuh hinzuwerfen. Jetzt hat er ihr die an sich fälligen Quartalsberichte verweigert, ignoriert völlig, in welche Dax-Sparte sie ihn einordnen. Pankraz fragt sich, ob und wann sie ihn kleinkriegen werden.

Wiedekings Ideal ist der "guterzogene, loyale Aktionär". Ich bin, sagt er, nicht für irgendwelche Finanzspekulanten da, die nur an der Börse herumspielen und schnellen Reibach machen wollen, sondern für die Aktionäre der Firma Porsche, und das sind, wie ich genau weiß, am langfristigen Gedeihen der Firma hochinteressierte Leute, denen ich natürlich jederzeit, nicht nur quartalsmäßig, mit allen gewünschten Topinformationen zur Verfügung stehe. Alles andere interessiert mich nicht.

Im übrigen, sagt Wiedeking weiter, gibt es in einer Firma wie Porsche nicht nur die Interessen der Aktionäre, sondern auch noch die Interessen der Kunden und, last but ot least, die Interessen der Mitarbeiter. Im Interessen-Dreieck von Aktionären, Kunden und Mitarbeitern bewegt sich die Arbeit eines leitenden Managers. Er trägt nicht nur Verantwortung für das Vorankommen der Produktion, sondern auch für die Herstellung eines guten Vertrauensklimas zwischen den drei Interessengruppen. Jede Klimaschädigung ist letztlich auch eine Produktionsschädigung.

Goldene Worte, aber natürlich ebenso viele Steine des Anstoßes für die Vertreter der "reinen Lehre". In deren Augen haben die führenden Manager einzig und allein für die Interessen des Kapitals da zu sein, und dieses schert sich nicht um gutes Klima und Vertrauen, sondern einzig um Vermehrung seiner selbst.

Gut erzogene, einem Un ternehmen gegenüber loyale Aktionäre sind dem Kapital lästig, denn sie spielen nicht richtig mit, wenn es gilt, die berühmte "schöpferische Zerstörung" ins Spiel zu bringen, um riesigen Augenblicksgewinns willen gesunde Unternehmen zu zerschlagen, ihre Filetstücke zu verscherbeln, den Rest wegzukehren, die beteiligten Mitarbeiter freizusetzen. Für solche Geschäfte braucht man selbstverständlich jene Quartalsberichte, die zu liefern sich Wiedeking weigert. Der Mann spielt ein verwegenes Spiel, wie lange wird es gut gehen?

Gewiß, als Chef einer Firma, die anerkannte und hochbegehrte Luxusgüter herstellt, kann sich Wiedeking manches leisten, was sich Massenhersteller nicht leisten dürfen. Er kann sich z.B. leisten (muß es sogar), teure inländische Spezialisten zu beschäftigen, statt auf ungelernte Kräfte in "Billigländern" auszuweichen. Er kann sich leisten, die Preise seiner Produkte künstlich hochzuhalten, einen saftigen Prestigebonus einzusetzen. So etwas stärkt das Selbstbewußtsein und macht unabhängig.

Was aber, wenn die sich anbahnende Krise auch auf den Markt für sportliche Luxusautos durchschlägt? Wenn größte Investitionen notwendig werden, um die Konkurrenz zu bestehen, die Produktpalette zu erweitern oder auch völlig umzustellen? Oder wenn in Amerika mächtige Lobbyverbände eine Boykotthetze gegen Wiedekings Produkte anzetteln? Wird es dann für potentielle Investoren gleichgültig sein, in welcher Dax-Klasse Porsche rangiert? Werden dann Aktionäre Geduld haben, Loyalität zeigen, sich auch einmal mit kleineren Gewinnen zufrieden geben?

Es gibt eine ziemlich ungemütliche historische Parallele zur gegenwärtigen Porscheblüte. 1930, als die Weltwirtschaftskrise die Autoindustrie erfaßte, schossen allenthalben die Firmen bzw. Firmenabteilungen für Luxusschlitten ins Kraut, es kam die Ära der rassigen Zwölf- und Sechzehnzylinder, in Deutschland des Maiybach-Zeppelin, des Zwölfzylinder-Horch, der pompösen PS-Ungetüme bei NAG in Berlin und bei Stoewer in Stettin. Das waren damals aber schon alles Ausdrücke der um sich greifenden Verzweiflung und Resignation, und am Ende überlebten nur die Branchenriesen mit ihrer Massenproduktion, ihren Zusammenschlüssen und feindlichen Übernahmen.

Ob diese Zerstörung "schöpferisch" gewe sen ist, darf man bezweifeln; politisch war sie bekanntlich Teil des Wegs in die Katastrophe. Die Wahrscheinlichkeit und die historische Erfahrung mögen gegen die Überzeugungen und die Führungspraktiken des Wendelin Wiedeking sprechen, lebenspraktisch und moralisch läßt sich wenig gegen sie ins Feld führen. Wissenschaft und Politik sollten sich mit ihnen nach Möglichkeit verbünden.

Firmen mit gutem Namen und solider Tradition sind mit Sicherheit mehr als bloße Plünderungs-Plantagen für frei schweifendes Finanzkapital. Sie sind Bestandteil nationaler und regionaler Lebenskultur, sie schaffen Werte, die nicht einfach verfrühstückt werden können, die den Stolz und das Selbstgefühl derer ausmachen, die sich produktiv mit ihnen verbunden haben. Wer sie "filetieren" (Wiedeking) will, muß gewichtigere Gründe vorzutragen haben als schnellen Tagesgewinn.

"Mich stört diese Mentalität gewaltig" (die Mentalität des Filetierens und schnellen Absahnens), sagte Wiedeking kürzlich in einem Interview mit der Hamburger Zeit, "sie ist außerdem volkswirtschaftlich ein Minusgeschäft. Wir verlieren dadurch Beschäftigung und zerstören das, was sich über Jahrzehnte harmonisch gefügt hat. Deshalb muß eine Diskussion geführt werden, wie man allen Belangen gerecht wird".

Diskussion ist auf jeden Fall gut. Noch wichtiger ist aber wohl, daß die deutschen Aktionäre weiter so guterzogen und so loyal bleiben, wie sie offenbar, wenigstens teilweise, schon sind. Dann lassen sich auch schwere Zeiten überstehen.


 
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