© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    31-32/01 27. Juli / 03. August 2001

 
Frisch gepreßt

Nietzsche. Ein Jahr nach dem Trubel zum 100. Todestag ist es schon wieder ganz still geworden um Friedrich Nietzsche. So kann man in Ruhe sichten, was von den Jubiläumsproduktionen Bestand haben wird. Dazu zählt mit Sicherheit das von Henning Ottmann, dem Kenner der "politischen Philosophie" des Gott-ist-tot-Propheten, herausgegebene "Nietzsche- Handbuch" ("Leben-Werk-Wirkung", Verlag J.B. Metzler, Stuttgart 2000, 561 Seiten, 79 Mark). Allein hundert Seiten sind darin den Aspekten der Rezeptionsgeschichte gewidmet. Daß jedoch ausgerechnet der bis 1989 am Marxismus-Leninismus orientierte, mit einer realsozialistischen Heidegger-Kritik noch gut in unserem Gedächtnis verankerte Hallenser Philosoph Hans-Martin Gerlach für den Artikel über Nietzsches Wirkungen in der Politik ("Faschismus, Nationalsozialismus, Sozialdemokratie, Marxismus") herangezogen wurde, mutet nach der Lektüre, die alte Klischees über den "nazifizierten" Nietzsche aufkocht, nicht gerade an, als habe Ottmann hier einen Glücksgriff getan. Aber dafür entschädigt der üppige lexikalische Teil, der treffend anhand von Schlüsselbegriffen (von Antisemitismus, blonde Bestie, Herrenmoral, Nihilismus und Perspektivismus bis zu Übermensch und Züchtung) in Nietzsche Werk einführt.

Konservative. Ein sehr teures Buch, diese Dissertation von Bernhard Ruetz über den preußischen Konservatismus zwischen den Befreiungskriegen und der Gründerzeit, die als Band 3 in der von Caspar von Schrenck-Notzing herausgegebenen neuen Reihe der "Studien und Texte zur Erforschung des Konservatismus" erschienen ist ("Der preußische Konservatismus im Kampf gegen Einheit und Freiheit", Duncker&Humblot, Berlin 2001, 213 Seiten, 116 Mark). Und zudem ein ideengeschichtliches Werk, dessen anspruchsvoll-verschachtelte Argumentationskette mitunter leider nur schwer nachzuvollziehen ist. Zumal Ruetz am Ende, wie einst Panajotis Kondylis zum "Abschied vom Konservatismus" auffordert, weil nach 1871 aus einer "ständisch-monarchischen Bewegung" eine konservative Partei geworden sei, die sich dann irgendwie zu einer "geistigen Strömung" im "Faschismus" (also in Italien?) verdichtet habe. Von dort führe aber kein Weg mehr zurück zu den Ursprüngen im frühen 19. Jahrhundert.


 
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