© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    33/01 10. August 2001


LOCKERUNGSÜBUNGEN
Humanisierung
Karl Heinzen

Der sich ganz auf virtuelle Leinwand-Stars beschränkende Science-Fiction-Film "Final Fantasy" hat seinen Test in den amerikanischen Kinos bislang nicht bestanden. Die 11,4 Millionen Dollar, die er am ersten Wochenende einspielte, langten gerade einmal für einen vierten Platz im nationalen Vergleich. Der Beginn einer neuen Epoche im Film sieht vermutlich anders aus, vielleicht liegt er aber schon längst hinter uns. Ab dem 23. August hat nun auch das deutsche Publikum die Chance, sich ein Urteil darüber zu bilden, warum der Computerspiel-Heldin Aki Ross der Erfolg im Kino nicht treu zu bleiben scheint.

An der Vision dürfte es jedenfalls nicht liegen: Leibhaftige Schauspieler sind ein Atavismus, den eine moderne Mediengesellschaft eigentlich nicht mehr hinnehmen müßte. Unter Ausnutzung primitivster Instinkte erwerben sie eine Autorität, die sie zu allem möglichen mißbrauchen – im günstigsten Fall bloß zu ihrer individuellen Bereicherung, nicht selten aber auch zur Stilprägung. Frühere Gesellschaften wußten sich gegen diese Berufsgruppe durch soziale Ächtung zu wehren. Heute stellen wir fest, daß die Professionalisierung diesen Abwehrmechanismus leider nicht ersetzen kann, da sie eben nicht eine Versachlichung fördert, sondern im Gegenteil dazu einlädt, aus dem Irrationalismus der Massen Profit zu ziehen. Die Möglichkeiten, in immer besserer Qualität virtuelle Figuren aus dem Computer zu schaffen oder einmal gespeicherte Personen aus Gegenwart und Vergangenheit beliebig agieren zu lassen, versprechen jedoch eine Besserung – allerdings eine aus systemkonformen Motiven: Es gibt eine echte Alternative zu schauspielerischen "Leistungen", damit eine neue Form von Wettbewerb und in Konsequenz eine Deckelung der Monopolrenten, die besonders unverschämte Stars einstreichen können. Gerade wer noch irgendeine sentimentale Beziehung zu den Idealen verspürt, auf denen die moderne Gesellschaft gründete, wird dieser Entwicklung etwas abgewinnen können: Erneut bietet sich ein Ansatzpunkt, um Versuche in die Schranken zu weisen, unter Vorspiegelung menschlicher Eigenschaften Einkommen zu erzielen. Virtuelle Darsteller stehen für mehr Ehrlichkeit und mehr Transparenz im Kino, da das intendierte Staunen über die Perfektion der Täuschung das Wissen um dieselbe voraussetzt.

Der Rückzug des Menschen zeitigt somit eine humanisierende Wirkung, die von den Medien aus auch anderen Bereichen des öffentlichen Lebens Anstöße vermitteln könnte. Zum Beispiel der Politik: Virtuelle Führungspersönlichkeiten ohne Privatinteresse und mit klar definierten Eigenschaften könnten einen Grad von Glaubwürdigkeit signalisieren, der für so undurchsichtige Menschen wie Berlusconi, Blair, Schröder, Shinawatra oder Koizumi unerreichbar bleiben muß. Nun meinen zwar Experten, daß die Kostenvorteile von Computeranimationen vorerst bei der Darstellung von Massenszenen liegen. Dann müßte die virtuelle Neugestaltung der Politik notfalls bei den Parlamenten beginnen.


 
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