© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    33/01 10. August 2001

 
Leo Kirch
König des Fußballs
von Christian Vollradt

Wenn es so etwas wie die reichen Patenonkel der "Generation Golf" gibt, dann ist der Münchner Medienunternehmer zweifelsfrei einer von ihnen. Pünktlich zur einsetzenden Pubertät der zu Anfang der siebziger Jahre Gezeugten kam mit ihren Pickeln auch das Privatfernsehen – woran Kirch einen nicht unbeträchtlichen Anteil hatte. Er bescherte, wonach die Jugend hungerte: "Entertainment total". Zu nachtschlafender Zeit lief schließlich das Lederhosengejodel jener deutschen "Autorenfilme", für die frühere Generationen noch Kinos in Bahnhofsnähe aufsuchen mußten. Und am Nachmittag liefert Kirch Endlosschleifen von Seifenopern und exhibitionistischem Gequassel in die Stuben.

Soviel moralische Freizügigkeit wie in seinen Kanälen wollte Kirch, dem der Ruf eines strengen Katholiken vorausgeht, im Gedruckten allerdings nicht gelten lassen: Als Aufsichtsratsmitglied des Springer-Verlags forderte er 1995 wegen eines zustimmenden Kommentars der Welt zum Kruzifix-Urteil die Ablösung ihres Chefredakteurs.

Für Aufregung sorgt der Medienmogul, wenn es um die Frage von Rechten bei Sportübertragungen geht. Jetzt ist es wieder einmal der Fußball, der schon in den Jahren 1996 bis 1998 für Streit zwischen der Kirch-Gruppe und den öffentlich-rechtlichen Anstalten gesorgt hatte. Bei seinem Volkssport Nr. 1 versteht der Deutsche nun einmal keinen Spaß, schon gar nicht, wenn auf seinem Rücken Kirchs konzerneigenes Bezahl-Fernsehen – das 1999 einen geschätzten Verlust von einer Milliarde Mark einfuhr – saniert werden soll. Jüngst obsiegte Kirch zwar in erster Instanz und darf weiterhin entscheiden, welche Spielausschnitte aus der Bundesliga in den Sportnachrichten der ARD gesendet werden. Doch eine Quote von unter zehn Prozent für die Sat.1-Fußballsendung "ran" verdeutlicht den Zorn der Zuschauer und die Macht der Fernbedienung. Die Gerüchte um eine Rückverlegung der Bundesliga-Berichte auf ihren ursprünglichen Sendeplatz verdichten sich ebenso wie jene, die auf die Gesprächsbereitschaft des Münchners mit der ARD hindeuten.

Der gewerbliche Umgang mit einer Volksdroge, deren übermäßiger Genuß nicht nur berauschend, sondern auch verkaternd wirkt, war dem 1926 in Würzburg geborenen Sohn eines fränkischen Winzers schon in die Wiege gelegt. Nach seinem Studium der Mathematik und Betriebswirtschaft arbeitete der 1952 zum Dr. rer. pol. Promovierte zunächst als Assistent an der Münchner Universität, bevor er drei Jahre später seine Firma Sirius-Film GmbH gründete und rasch als Händler von Filmrechten reüssierte. Nach und nach kaufte er von großen Hollywood-Studios jene Schinken, die heute noch auf Kabel 1 in die Wohnzimmer flimmern. Aus einem Medienimperium hat wohl nur einer seiner Geschäftspartner in Europa mehr gemacht als Leo Kirch selbst: der jetzige italienische Ministerpräsident.


 
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