© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    33/01 10. August 2001

 
CD: EBM / Industrial
Feurige Finsternis
Ulli Baumgarten

Kälte, Vereinsamung, Rücksichtslosigkeit in einer Gesellschaft, die keine Ideale mehr ihr eigen nennt und nur noch materielle Triebbefriedigung goutiert; daß viele Menschen solchen Lebensumständen in eine vermeintlich heile Welt zu entfliehen suchen, erscheint nur allzu verständlich. So erfreut sich das Mittelalter seit einigen Jahren einer Aufmerksamkeit, die sich im Besuch von Mittelalterfesten und dem Spielen mittelalterlicher Musik artikuliert.

Eine dieser Gruppen, die mittelalterliche Musik spielt, ist das Stille Volk aus Frankreich. Das Duo veröffentlichte 1997 die vielbeachtete CD "Hantaoma", 1998 das experimentellere "Es-Uvies" und dieser Tage ihr drittes Album "Satyre Cornu", mit dem es sich wieder ihren Ursprüngen nähert. Die Lichtscheibe, gesungen ausschließlich in mittelalterlichem Französisch, behandelt textlich alte Legenden und Mythen der Pyrenäen und wurzelt tief in heidnischen Traditionen und der Verehrung des Gottes Pan. Musikalisch erwartet den Hörer ein regelrechtes Feuerwerk an Spielfreude, schon nach kurzer Zeit taucht man in diese ungewöhnliche Musik tief ein. Die Musik kommt völlig ohne die heute üblich gewordenen Samples aus und wird ausschließlich mit mittelalterlichen Instrumenten gespielt – was den Reiz des Hörens sogar noch erhöht, denn viele der benutzten Musikinstrumente dürften dem heutigen Hörer schon allein vom Namen her vollkommen unbekannt sein, vom spezifischen Klang einmal ganz abgesehen. Die Lieder pendeln zwischen Melancholie und purer Lebensfreude, sind mal mystisch und mal Tanzlieder, jedes aber eröffnet ein vollkommen neues Universum des Hörvergnügens. Wer mittelalterliche Musik mag, wird an dieser CD nicht vorbeikommen, aber auch der Neuling sollte es einmal wagen, die Musik dieser Zeit kennenzulernen.

Die finnische Gruppe Tenhi fasziniert die Öffentlichkeit nun schon seit etwa fünf Jahren mit ihrer Mischung aus Rock, Ethno und traditioneller finnischer Musik. Den Stil, den Tenhi in den beiden ersten CDs "Hallavedet" (1998) und "Kauan" (1999) verfolgten, bauen sie auch auf ihrer neuen Maxi-CD "airut:ciwi" weiter aus. Das ganze wirkt sehr düster und melancholisch, ist aber weit davon entfernt, den Hörer in depressive Stimmung zu versetzen, sondern zeigt eher, daß auch die dunklen Seiten des Lebens zum Menschsein dazugehören. Wahrscheinlich hängt diese Vorliebe für das Dunkle mit der skandinavischen Heimat von Tenhi zusammen; vielleicht muß es einfach Auswirkungen auf die Seele haben, wenn man lange Zeit des Jahres in Eis und Dunkelheit lebt, jedenfalls klingt die CD niemals "gewollt", sondern echt und naturverbunden.

Nicht ganz so weit aus dem Norden Europas, dafür doppelt so düster, ist Of the wand & The moon aus Dänemark. Hinter dem Namen verbirgt sich das neue Projekt von Kim Larsen, dem Gitarristen der Dunkel-Metaller von Blazing eternity. Die Musik von "emptiness: emptiness: emptiness" ist eine Mischung düsteren Neo-Folks à la Death in June, dark ambient und ritueller Musik – passend zu dem neiheidnischen Hintergrund des Künstlers. In den besten Momenten erreicht diese CD eine ungeheure Intensität; gerade die beiden längsten Stücke "Algir naudir wunio" und "Reficul" kreieren mit ihren tranceartigen Melodien beim Zuhörer eine unwirkliche und traumhafte Welt, die mit der des Konsums nichts zu tun hat. Ebenso wie bei Tenhi spielt auch bei Of the wand & The moon die Natur die zentrale Rolle, nicht die vergewaltigte und – buchstäblich – eingezäunte, sondern die Natur im Urzustand, die sich jeden Verstehens und Moralisierens entzieht. Diese mitunter dunkel erscheinenden Seiten der Schöpfung darzustellen, gelingt Larsen auf kongeniale Art. Zu beziehen sind alle besprochenen CDs bei dem Versand Prophecy Productions (Kurfürstenstr. 5, 54492 Zeltingen-Rachting).


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen