© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    33/01 10. August 2001

 
Die Wiedergeburt der Oper
Oper: Monteverdis "L’Orfeo" in den römischen Kaiserthermen in Trier aufgeführt
Julia Poser

Das Jahr 1607 kann als das Geburtsjahr der Oper bezeichnet werden. Zwar hatte schon sieben Jahre zuvor die Florentiner Camerata, eine Gruppe gelehrter Dichter, Philosophen und Musiker, den Versuch unternommen, die griechischen Dramen mit deklamatorischem Gesang wiederzubeleben, aber dem trockenen, akademischen Klang war kein Erfolg beschieden. Erst Claudio Monteverdi (1567–1643) legte als Kapellmeister Vincenzos I. Gonzaga in Mantua mit "L’Orfeo" das Fundament für eine Kunstform, die bis in unsere Tage besteht.

Die Uraufführung der "Favola in Musica" genannten Oper fand im Februar 1607 im herzoglichen Palast vor geladenem Adel statt. Der Eindruck auf die Gäste muß überwältigend gewesen sein. "Orakel der Musik" und "Il divino Claudio" nannten seine Zeitgenossen verehrungsvoll den Komponisten. Der Arztsohn aus Cremona erreichte bereits in seiner ersten Oper "Orfeo" eine vollkommene Einheit von Text und musikalischem Ausdruck, so daß sich Gesangsstimmen, Chöre und Instrumente zu einer noch nie dagewesenen Pracht und Kühnheit vereinten.

Die Stadt Trier ist reich an Monumenten aus der Römerzeit. So bildet das Halbrund der ehemaligen kaiserlichen Thermen eine perfekte Kulisse auch für ein Werk aus der Renaissance. Wenn es dann so meisterhaft in Szene gesetzt wird wie von Regisseur, Bühnen- und Kostümbildner Pet Halmen, wird diese Aufführung für den Zuschauer ein beglückendes Erlebnis.

Eine riesige, sich öffnende Theatermaske dient als Vorhang und eine runde Scheibe als ebenso einfache wie geniale Spielfläche. Unter Trompetenklängen zieht der Chor in stilisierten roten Renaissancekostümen ein. Im Prolog steigt neben einer Apollostatue die Allegorie der Musica herab, um den Gästen die Fabel vom Sänger Orpheus anzukündigen. In lebendigen Bildern läßt der Regisseur ein farbenprächtiges Spektakel erstehen: Da reitet Orpheus auf einem Zentauern heran, und ein bocksköpfiger Pan treibt mit den Nymphen sein Spiel.

Beeindruckend sind auch die Sänger. Der junge Österreicher Bartolo Musil zeigt mit glänzend geführtem Bariton, daß er sowohl Charon in Schlaf versetzen als auch Plutos und Proserpinas Herz durch seinen Gesang erweichen kann. In drei Rollen beweist Heidi Zehnder ihre große Begabung für alte Musik; als Musica erscheint sie in leuchtendem Rot, als Speranza (Hoffnung) geleitet sie Orpheus an die Pforte der Unterwelt, und als Proserpina tritt sie mit bewegender Stimme für Euridikes Rückkehr in die Oberwelt ein. Einen großen Auftritt hat Vera Ilieva, die mit volltönender Stimme als Messagiera (Botin) Orpheus die Nachricht vom Tod Euridikes überbringt. Diese wird mit mädchenhaft klarem Sopran von Nina Berten gesungen. Jochen Schäfer und Gor Arsenian gefallen als schönstimmige Schäfer, fahl klingt dagegen der Baß von Juri Zinovenko in der Rolle des Totenwächters Charon. Laslo Lukas schwarzer Baß tönt gewaltig als Pluto und Apollo. Ebenso ausdrucksstark der glänzend disponierte Chor. Das Savaria Baroque Orchestra, ein ungarisches Kammerensemble, spielt auf alten Instrumenten wie Trombone, Regal und Chitarone. Ohne Sichtkontakt zur Bühne, da seitlich plaziert, leitet Pal Nemeth das Orchester. Er bringt Schwung und frische Tempi, läßt aber auch den Solisten den Atem für ihre langen Arien. In den Ritornellen (Zwischenspielen) findet er leuchtende Klangfarben für diese große Oper.

 

La Speranza geleitet Orpheus an die Pforte der Unterwelt


 
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