© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 34/01 17. August 2001 |
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Zeitschriftenkritik: Sozialismus oder Barbarei Tintenspuren im Sektendschungel Werner Olles Anders als in Frankreich, wo ein ehemaliger Trotzkist es zum Ministerpräsidenten brachte, oder in England, wo kleine Restbestände trotzkistischer Tendenzen in Blairs regierender Labour-Party überwinterten, war dem Trotzkismus der sogenannten IV. Internationale in Deutschland kein politischer Erfolg beschieden. Sieht man von einzelnen Ex-Trotzkisten ab, die in der SPD zu einigen Ehren aufstiegen - prominentestes Beispiel dafür war der ehemalige Staatsminister Hans-Jürgen Wischnewski -, gehörten die diversen Grüppchen, die sich jeweils nach verschiedenen Familienclans zumeist lateinamerikanischer Herkunft bezeichneten (Posadisten, Lambertisten, Zentristen etc.), hierzulande zu den notorisch erfolglosesten Linksextremisten. Als sich 1986 die größte trotzkistische Gruppierung, die Gruppe internationaler Marxisten (GIM), dann auch noch mit ihren früheren stalinistischen Todfeinden von der KPD/ML zur Vereinigten Sozialistischen Partei (VSP) zusammenschloß, war die Verwirrung im Sektendschungel der IV. Internationale perfekt. In der DDR wurden trotzkistische Politikansätze von der herrschenden SED und der Stasi gnadenlos verfolgt, was einige Ehemalige jedoch nicht hinderte, sich in der PDS zu organisieren. Nach dem Tod seines führenden Theoretikers, Ernest Mandel, schien der Trotzkismus - zumindest intellektuell - völlig in der Versenkung verschwunden zu sein. Viele der etwa ein Dutzend untereinander heftig konkurrierenden Gruppen und Zirkel des internationalen Trotzkismus lös-ten sich auf, andere gründeten sich neu. Dazu gehört auch die Gruppe Internationaler SozialistInnen (GIS), die sich offenbar als Nachfolgerin der GIM versteht und aus der Strömung der International Socialists hervorgegangen ist. Viermal jährlich gibt die GIS eine in deutscher und türkischer Sprache erscheinende Politische Zeitschrift mit dem sich auf Rosa Luxemburg beziehendenen Titel Sozialismus oder Barbarei heraus. Wie bei trotzkistischen Politikansätzen und Periodika üblich, krankt auch Sozialismus oder Barbarei an einem Übermaß an Ökonomismus, was die Lektüre nicht unbedingt kurzweiliger macht. Ein weiterer Schwerpunkt ist der Klärung politischer Fragen als Grundlage für ein schnelles Wachstum in Perioden der politischen Radikalisierung gewidmet. Zwar warnt man energisch davor die eigene Bedeutung in der Welt maßlos zu übertreiben, um dann doch wieder in die üblichen sektiererischen Phantastereien zu verfallen, und von Tausenden von Mitgliedern und einer realen Verankerung in der Arbeiterklasse zu fabulieren. Interessanter ist dagegen eine Auseinandersetzung mit dem Anarchismus am Beispiel des spanischen Bürgerkrieges. Anarchistischen Organisationsvorstellungen wird der Vorwurf einer radikalen Phraseologie gemacht, denen - und das ist durchaus nicht als Kalauer gemeint - das Konzept des demokratischen Zentralismus gegenübergestellt wird. Kontakt: GIS, Postfach 72 01 29, 70577 Stuttgart. Das Jahresabo kostet 20 Mark. |
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