© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 35/01 24. August 2001 |
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LOCKERUNGSÜBUNGEN Begeisterung Karl Heinzen Er, er, er - wer sonst? fragt die Berliner Band Dezibel gleich mehrmals in einem für den Tag der offenen Tür des Bundesministeriums der Finanzen produzierten Song, den man sich dankenswerterweise auf der Website des Hauses herunterladen kann. Wer da besungen wird, ist nun allerdings nicht etwa der Euro - dies verböte schließlich der Respekt vor dem Bedürfnis der Bürger, mit Argumenten und nicht mit flotten Sprüchen auf die Währungsumstellung eingestimmt zu werden. Gewürdigt wird vielmehr der Minister höchstselbst, und dies ist nach all den Anstößen, die er für das bisherige 21. Jahrhundert gegeben hat, mehr als überfällig. Hans Eichel ist jemand, dessen unermüdliche Pflichterfüllung nur zu leicht vergessen macht, daß wir es mit einem Menschen zu tun haben, der durchaus unser aller Interesse verdienen könnte, wenn es über ihn etwas Berichtenswertes gäbe. Dezibel macht hier einen guten Anfang: Er hat die Taschen nicht voll Geld und protzt nicht wie ein großer Held/ man trifft ihn schon mal aufn Bier oder nem halben Hahn beim Türken hier. Das klingt doch in der Tat schon nach ein bißchen mehr als langjähriger Oberbürgermeister von Kassel und mehrmaliger Präsident des Hessischen Städtetages. Das Charisma von Hans Eichel beginnt sich in der einstigen und nunmehr ungeteilten Hauptstadt der DDR herumzusprechen. Dem Enthusiasmus der Menschen kann sich auch die Kunst nicht entziehen. Dezibel, immerhin gehörten die Musiker im Juni auf dem 6.Budenzauber am Steglitzer Damm gemeinsam mit der Most Inside Bigband und der Cheerleader-Formation Silverduckies zu den Hauptattraktionen, weiß sogar die Gründe für die Begeisterung zu benennen: Er, gemeint ist unverändert Hans Eichel, ist sparsam, fleißig und manchmal kulant, steht nicht auf hohe Schuldenberge, die solln runter, dafür steht er ein, er senkt die Steuern, wo er kann, er bringt die Wirtschaft schon auf Trab, damit die Jugend eine Zukunft hat. Und so weiter. Sicher, manches wäre von einem professionellen Lyriker anders formuliert worden, aber das ist, wie wir aus dem Liedgut der totalitären Bewegungen wissen, wohl der Preis, der zu bezahlen ist, wenn die Zustimmung der Menschen von Herzen kommt. Das Bundesministerium der Finanzen hätte selbstverständlich auch andere Größen der sozialdemokratischen Musikszene um einen Beitrag bitten können, einen Peter Maffay vielleicht oder einen Wolfgang Niedecken oder sogar einen Klaus Meine. Mit dem Blick auf den Sparkurs der Regierung wäre dies jedoch als ein falsches Signal zu verstehen gewesen. Understatement macht sich also doppelt bezahlt. Auch wenn die Komponisten, um nicht den Eindruck des Starkults zu erwecken, so sensibel waren, den Minister nur im Titel des Songs, nicht jedoch in diesem selber zu erwähnen: Zumindest im Bundeskanzleramt dürfte das Gespür dafür reifen, was für eine Persönlichkeitsveränderung sich an der Spitze des Finanzministeriums vollzogen hat. |