Nach Diktion des bundesrepublikanischen Selbstverständnisses kann die Mehrheit keine Opferrolle für sich beanspruchen. Die Minderheit ist unschuldig. Daher ist es auch nicht verwunderlich, wenn Mehmet Daimagüler, Bundesvorstandsmitglied der FDP, eine Kemal-Atatürk-Straße in Berlin haben möchte. Atatürk sei nicht nur „einer der größten Staatsmänner des letzten Jahrhunderts“, sondern auch „Identifikationsfigur der Türkei“. Außerdem habe er viele Deutsche vor dem Zugriff der Braunen bewahrt. So weit, so gut.Aber gab es da nicht noch was anderes? Wurden nicht Armenier tausendfach abgeschlachtet (Völkermord!), ein moderner Staat gegründet (Nationalismus!) und Minderheiten, z. B. Griechen, ausgewiesen (null Toleranz)? Alles halb so schlimm in Deutschland, schießlich sind wir im Land „der Täter“, Onkel Kemals Taten sind demnach harmlos. Auch für die hyperkorrekten BRD-Liberalen.